Rakuda Onna
ist eine jahrtausendealte Vampirin, welche nach ihrer Hinrichtung als Untote
durch die Welt zieht und sich vom Blut der Lebenden ernährt. Indem sie ihn von
ihrem Blut kosten lässt, verwandelt sie den jungen Schüler Konosuke Mori
ebenfalls in eine blutsaugende Bestie der Nacht. Doch Moris Weg ist ein
schwerer und er realisiert erst nach und nach, was eigentlich mit ihm
geschieht. Doch so sehr er sich auch sträuben mag, der Drang nach frischem Blut
ist unstillbar.
Suehiro
Maruo ist bekannt für sein visuelles Talent, die Atmosphäre, die er in seinen
Mangas zu kreieren weiß und die mystisch bis märchenhaft angehauchten
Geschichten, die er in ihnen erzählt. Aus seinen Bildern spricht die Schönheit
alter Tage, eine Art rustikaler Zauber und eine ästhetische Sicherheit, wie sie
in diesem Bereich bei so gut wie keinem anderen zu verzeichnen ist. Maruo’s
Werke sind stark beeinflusst von der Dekadenz des Expressionismus und dem
Ero-Guro, einer Spielart japanischer Zeichenkunst und Literatur, welche das
Groteske mit dem Erotischen verbindet. Seine Werke verkörpern eine lang
vergessene Schönheit, welche man aus alten, deutschen Filmklassikern kennt und dennoch
sind sie voll von perversen Fetischen und Gewalt. Ob Suehiro Maruo ein
Gewaltfetischist ist, der die expressionistischen Tugenden hochhält, oder ein
Expressionist mit einem Fetisch für Gewalt, liegt in den Augen des Betrachters.
Fakt ist jedoch, dass Maruo Schönheit und Hässlichkeit zu etwas Beeindruckendem
verknüpfen kann. Die gewaltschwangere Geschichte von “Der Lachende Vampir“
vermischt Maruos Stil mit einigen Horrorelementen, etwas das, trotz seinem Hang
zu extremen Themen, nicht besonders gewöhnlich für sein Schaffen ist. Das
Ergebnis ist ein sehr interessantes.
“Der
Lachende Vampir“ fängt mit der Vorgeschichte der alten Vampirin Rakuda Onna an,
welche wenige Seiten später den jungen Mori zu einem Vampir verwandelt, indem
sie ihm Blut aus ihrer Zunge in den Mund laufen lässt. Parallel dazu führt
Maruo uns in Moris Umfeld ein. Seine Mitschüler sind gewalttätige
Schlägertypen, die sich an hilflosen Obdachlosen vergreifen und berechnende
Mädchen, die für Geld alte Männer sexuell befriedigen. Inmitten dieses
gesellschaftlichen Zerfalls lernen wir Luna und Hemni kennen. Luna ist ein
keusches, zurückhaltendes Mädchen, welches aufgrund ihrer stillen Art häufig
von den anderen Mädchen aufgezogen wird und ein Außenseiterdasein führt. Hemni
ist ein gewalttätiger Sadist, der nachts herumgeht und Menschen bei lebendigem
Leibe in Brand setzt. Seine Gräueltaten verewigt er in seinem Tagebuch, das er
“Der Lachende Vampir“ nennt. Zeitgleich schreitet Moris Transformation immer
weiter voran und Onna begleitet ihn auf seinen nächtlichen Beutezügen, in denen
er Passanten aufschlitzt um ihr Blut zu trinken. Doch je mehr er zum Vampir
wird, desto mehr muss er sein altes Leben aufgeben und seine Mitschüler werden
zur Zielscheibe für seine nächtlichen Morde. Weiterhin werden Hemnis
Gewalttaten immer perfider und kränker und das Objekt seiner Begierde ist die
schüchterne Luna. Eine Konfrontation zwischen den Dreien ist unausweichlich…
“Der
Lachende Vampir“ ist ein starker Manga. Konzeptionell, inhaltlich und visuell. Die
denkbar einfache Vampirthematik tanzt einen graziösen Tango zwischen
altbekannten Verbeugungen vor den allseits bekannten Themen der klassischen
Gothic Literatur und einer Grimmigkeit, wie sie nur der heutige Kulturzerfall
hervorbringen kann. Auf der einen Seite gibt es die mystischen Storyelemente,
welche Maruo auf gekonnte Weise aufgreift, ohne jedoch den tausendsten Dracula
Klon zu erschaffen, auf der anderen Seite japanische Großstadt-Tristesse.
Interessant ist hierbei, dass Onna, quasi Maruos weiblicher Graf Dracula, eher
an die japanische Art der Dämonendarstellung, als an den Klischeevampir mit
Reißzähnen erinnert. Wie so oft sind Maruos Charaktere eher eindimensional und
erleben, bis auf die Vampir-Metamorphose natürlich, eigentlich keine Katharsis,
Veränderung oder sonst etwas. “Der Lachende Vampir“ widmet sich ganz seiner
Thematik, bleibt zwar nah an seinen Charakteren, nutzt ihr Zusammenspiel aber
eher um Atmosphäre zu erzeugen und eine eigene Welt zu kreieren. Natürlich schreitet
die Handlung voran und befasst sich eindringlich mit Moris neuem Leben als
Vampir und seinen nächtlichen Streifzügen, jedoch interessiert sich Maruo viel
mehr für eine stimmige Aura als für nervenzerfetzende Spannung. Die
Handlungsstränge um Hemni und Luna fügen sich sehr gut in das Gesamtwerk ein und
zeichnen das Bild einer verloren, herzlosen Gesellschaft ohne Werte und Normen.
Gerade dieses Setting macht die Handlung von “Der Lachende Vampir“ so speziell:
der Zauber eines eigentlich eher romantischen Mythos, versetzt mit den
Problemen einer modernen Gesellschaft, wie man sie zum Beispiel aus den “All
Night Long“ Filmen kennt. Sicherlich schwingt hier auch Gesellschaftskritik
mit, welche sich aber dezent zu der schwarzromantischen Atmosphäre gesellt und
eher Teil des Ganzen als Randerscheinung ist.
Dass Maruo
meisterhaft Gewalt und Ästhetik vermischen kann, beweist “Der Lachende Vampir“
genauso gut, wie seine anderen Werke. In
dem Manga treten Gewalt bzw. Tod und Schönheit nicht nah beieinander auf,
sondern gleichzeitig. Auf der selben Seite, im selben Panel. So verwest Onna
gleich zu Anfang in einer blühenden Blumenwiese, eine Frau wird in einem Feld,
das aussieht wie ein Meer aus Orchideen, zu Tode gebissen und die Blutspuren
der Opfer hinterlassen nahezu abstrakte Kunstwerke auf den Wänden und Kacheln
der Stadt. Viele Ermordungen wirken, trotz der Unbelebtheit des Mediums, wie Balletttänze
und sind gleichzeitig explizit grausam und wunderschön anzusehen. Gerade in den
vielen Gewaltszenen blüht Maruo am meisten auf und vermag den Leser am meisten
zu fesseln. Der weiter oben angesprochene expressionistische Touch Maruos kommt
wieder voll zum Vorschein: Mori sieht Cesare aus dem Klassiker “Das
Schreckenskabinett des Dr. Caligari“ sehr ähnlich und auch die ausgewälzten,
dramatischen Morde im Zusammenspiel mit Maruos grandiosem Einsatz von Licht und
Schatten erinnern sehr an stark an den expressionistischen Stil. Insofern
verkommt “Der Lachende Vampir“ nie zu einer bloßen Gewaltorgie, sondern verpackt
seine Grausamkeiten so kunstvoll, dass selbst feinfühlige Freunde der bildenden
Kunst davor den Hut ziehen müssten. Dennoch ist das Gezeigte stellenweise sehr
extrem, zum Beispiel badet Onna in dem Blut toter Babys, deren Kadaver neben
ihr im Badewasser herumschwimmen. Auch das Massaker, das Mori an seinen
Mitschülern anrichtet, ist sehr explizit ausgefallen.
Doch auch
was die Darstellung von Sex und Perversion angeht, ist “Der Lachende Vampir“
nicht gerade zimperlich. Die phallische Symbolik und die sexuelle Aufladung, welche
dem Mythos innewohnt, sind ja hinlänglich bekannt, jedoch belässt Maruo es
keineswegs bei erotischen Anspielungen. Er zeigt auf sehr direkte Art, wie die
Schulmädchen sich über das Verkaufen von getragener Unterwäsche und Schamhaaren
unterhalten und wie sie alte Männer für Geld sexuell befriedigen. Neben einigen
ästhetischen und gewaltfreien Sexszenen und einer Art Gang Bang zwischen Moris
Mitschülern, spielen in Lunas Handlungsstrang Vergewaltigungen und sexueller Missbrauch
eine sehr große Rolle. Auch wenn die Darstellung von Sexualität und sexueller
Gewalt in anderen Werken Maruos eher zum Tragen kommt, ist sie doch in “Der
Lachende Vampir“ immer präsent und ein nicht zu unterschätzender Teil der
Handlung.
Fazit: Maruo
verbindet seine altbekannten Talente mit einem Thema aus der klassischen
Horrorliteratur und schafft ein wunderschönes Kunstwerk, das von seiner
ästhetischen Grausamkeit und seinen beeindruckenden Zeichnungen getragen wird. Mystisch,
realistisch, verstörend und bezirzend zugleich, ist “Der Lachende Vampir“ ein
weiteres Paradebeispiel für das enorme Talent des Suehiro Maruo, welches sowohl
als Horrorgeschichte, als auch als brutaler, perverser Manga und als expressionistisches
veranlagtes Kunstwerk funktioniert. Bravo!
Zum Band:
REPRODUKT hat den Manga ungekürzt und unzensiert (mit einer Altersempfehlung ab
18 Jahren) in deutscher Sprache auf den Markt gebracht. Die Verarbeitung ist
hochwertig, der Manga kommt im Softcover mit Schutzumschlag daher (sehr edel) und
die Übersetzung ist sehr gut gelungen!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen