Matthias
Mützlitz ist einer der langlebigsten Künstler im deutschen Post-Industrial
Untergrund. Seit über 10 Jahren bringt er erstklassige Noise Aufnahmen auf den
Markt. Hierbei hatte er schon mehrere Projektnamen, MX Nihil, BLO, Birkenau und
Iron Youth sind die geläufigsten. Mit seinem aktuellen Projekt "Die
Reitenden Leichen" widmet er sich primär dem Noise Subgenre HNW (Harsh
Noise Wall). Sein altes Label "World Nihil" wurde beendet und aus
seiner Asche entstand das HNW Label "Monolithische Aktion".
Matthias ist
nicht nur ein genialer Noise Musiker, sondern auch ein hochgradig sympathischer
und interessanter Mensch, mit dem man sich problemlos stundenlang verquatschen
kann. Ich habe mich mit ihm über sein Verständnis von Noise, seine vielen
Projekte, seine generellen Vorlieben und vieles anderes unterhalten. Hierbei
konnte ich mich erneut davon überzeugen, dass Matthias alles andere als ein
stumpfer Provokateur, sondern ein absolut authentischer Künstler ist, der eine
sehr genaue Vorstellung von dem hat, was er tut.
Das volle Interview
mit Matthias könnt ihr hier lesen:
TM: Grüß
dich, Matthias! Zunächst einmal vielen herzlichen Dank, dass du dich dazu
bereit erklärt hast meine Fragen zu beantworten. Starten wir mit der gängigen
Frage: Wer bist du und was gibt es über dich zu wissen?
Matthias:
Grüß Dich! Danke das Du Interesse an diesem Interview hast!
Ich bin
Noise-Künstler, der unter dem Namen "Die Reitenden Leichen"
hauptsächlich HNW und Harsh Noise produziert und betreibe neben meiner
Tätigkeit als solcher derzeit noch ein kleines Label namens "Monolithische
Aktion", dass ebenfalls hauptsächlich HNW und Harsh Noise Tapes, CDrs und
zukünftig wohl auch Vinyl in kleinen, aber hoffentlich feinen Editionen
veröffentlicht.
Zuvor habe
ich unter verschiedenen Namen wie z.B. "Black Light Orchestra",
"Iron Youth", "MX Nihil" usw. Harsh Noise, Power
Electronics, Ambient Noise und artverwandtes produziert und diese hauptsächlich
auf meinem vormaligen Label "World Nihil" veröffentlicht.
Mit Noise,
Industrial usw. beschäftige ich mich "offiziell" seit 1999. Die
ersten Experimente in diese Richtung habe ich aber bereits 1997 angefangen.
Ursprünglich kam ich mehr aus der Punk-Ecke und habe dann irgendwann durch
Artikel in Fanzines Industrial entdeckt und fand das ganze sowohl klanglich, als
auch ästhetisch sehr reizvoll.
Da ich schon
als Kind mit ne'm Kassetten-Recorder rumgelaufen bin und Geräusche aufgenommen
habe, weil ich das irgendwie interessant fand, war für mich recht schnell klar,
dass Industrial und Noise so ziemlich genau das ist, was mir im Bereich Klang
künstlerisch am meisten entspricht und mich seit dem auch nicht mehr
losgelassen hat.
Ich denke,
man kann an meinen ganzen bisherigen Projekten auch recht gut eine starke
Faszination für Klang an sich ablesen, da ich mich nie wirklich auf ein Genre
beschränkt habe, sondern immer wieder mit verschiedensten Elementen
experimentiert habe, obwohl Harsh Noise und seine Untergattungen schon das
primäre Element meiner Arbeiten ist.
TM: Kannst
du uns dein aktuelles Projekt "Die Reitenden Leichen" etwas genauer
vorstellen? Welchen Themen nimmst du dich an, wie würdest du den Stil
beschreiben und wie kamst du auf den Namen?
Matthias:
Mit dem Namen "Die Reitenden Leichen" habe ich, wenn ich mich da
recht entsinne, angefangen 2009 zu arbeiten, nachdem ich mein vorheriges
Hauptprojekt "MX Nihil" "schlafen gelegt" habe.
Den Namen
habe ich der Horrorfilm Serie "Die reitenden Leichen" entlehnt.
Zum einen fand ich den Namen auf eine
irgendwie klischeehaft-dümmliche Art gut und griffig, zum anderen waren die
reitenden Leichen Filme die ersten Horror-Filme, die ich als Kind gesehen habe.
Damals haben die mir eine Heidenangst gemacht - heute find ich die Dinger
einfach nur unglaublich amüsant. Auch das fand ich daran irgendwie gut, dass
etwas was mir früher mal wirklich Angst gemacht hat, mich heute zum Lachen
bringt. Der Name repräsentiert für mich ganz persönlich also so eine Art
Gegensatz. Er ist halt an sich auch so pseudo-gruselig, aber eben doch eher
lustig.
Davon
abgesehen mag ich Horror-Trash gelegentlich sehr gerne. Besonders aus den
50ern, 60ern und 70er-Jahren, auch wenn ich kein ausgewiesener Experte bin, was
das Thema betrifft.
Mit DRL
bewege ich mich hauptsächlich im Bereich Wall-Noise und Harsh Noise, wobei ich
tendenziell eher reduzierte Mittel einsetze, also im Prinzip minimalistisch
arbeite. Trotzdem behalte ich eigentlich immer ein gewisses, experimentelles
Moment bei und drifte durchaus auch mal in eher drone-artige Bereiche oder
Ambient-Noise ab. Hauptsächlich interessiert mich aber heute die Idee mit
geringen Mitteln viel zu erreichen. Damit meine ich nicht irgend eine Form von
Bombastik, sondern eher minimalistische Klang-Texturen zu erzeugen, die trotz
einer gewissen Monotonie eben nicht uninteressant sind, sondern im Gegenteil
einen packen können und einen in sich rein saugen. Das ist zugegebener Maßen
etwas schwer zu erklären. Mir ist es aber auch wichtig mit den Tracks eine
gewisse Atmosphäre zu erzeugen, die im Idealfall bestimmte, emotionale Zustände
hervorrufen oder vermitteln. Insofern sind spezifische Themen schon nicht ganz
irrelevant und ich versuche immer die Verpackung eines Tonträgers ästhetisch
mit dem klanglichen Inhalt auf eine Ebene zu bringen. Ein 100%ig festes Thema
in dem Sinne eines oberflächlichen Repräsentierens einer bestimmten Ideologie
oder so etwas habe ich an sich nicht. Ich greife mehr Fundstücke aus den
verschiedensten Bereichen auf - sei es nun Pop-Kultur, Film, Literatur,
Politik, Philosophie, Kunst etc. - die ich dann versuche irgendwie
zusammenzuwürfeln, um damit eine Idee zu vermitteln. Obwohl mir diese Ideen
häufig erst selbst später so richtig klar werden. Ich denke, dass ich bei den
Themen, die sich tendenziell am ehesten durch die visuelle Gestaltung
ausdrücken, irgendwie immer Dinge verarbeite die mich in der Zeit der
Produktion beschäftigen und die mir manchmal selbst gar nicht so ganz bewusst
sind, wie ich manchmal glaube das sie es sind. Im Prinzip denke ich auch, dass
man einer Noise-Wand jede x-beliebige Bedeutung zusprechen kann, weil sie an
sich keine Bedeutung hat, außer eben Rauschen zu sein. Auf einem Sticker den
ich gemacht hatte, habe ich das mal so ausgedrückt:
"The noise-wall is moving within itself, but unmoved nevertheless. it
fulfills no purpose, makes no sense, but rather simply is. It suggest nothing
and promisses nothing. it is no link to anything but itself. It is the
knowing, stoical silence."
Ich denke,
dass trifft die Sache für mich immer noch recht gut.
TM:Erzähle
uns doch mal über deine letzten Releases "Kvlt", "Sädizt
Äktzion" und "Supreme Nudity". Welche Konzepte stecken dahinter?
Was möchtest du speziell mit diesen Releases ausdrücken?
Matthias:
Naja, wie ich schon sagte, da sind oftmals bereits bestimmte Ideen vorhanden,
bevor ich mit den Aufnahmen beginne. Manchmal ergeben sich aber Ideen auch
durch Experimente. Es kommt vor, dass ich an einem Track arbeite und dabei
entstehen einfach Bilder in meinem Kopf bzw. ich muss dabei unwillkürlich an
bestimmte Dinge denken. Wenn ich dann später die Tracks zusammenstelle und
mehrmals Probehöre, kommen häufig zusätzliche Ideen dazu und entsprechend suche
ich bzw. produziere ich dann passendes Bildmaterial, dass ich verwenden will um
diese Gedanken oder Ideen zu illustrieren.
Bei
"Sädizt Äktziön" hatte ich zuvor mal wieder eine Phase in der ich
sehr viel alte Power Electronics Sachen gehört hatte. Alte Whitehouse und
Sutcliffe Jugend-Platten bringen mich immer wieder zum Schmunzeln mit ihrem
Hyper-Maskulinismus - genau dafür liebe ich diese Bands. Diese Kassette ist
also tatsächlich mehr eine Hommage an old school Power Electronics; natürlich
auch mit einer gewollten ästhetischen Übersteigerung und etwas Augenzwinkern -
was an sich schon mit dem Titel angedeutet werden sollte.
"Kvlt"
nimmt so ein wenig den Elite-Gedanken im Black Metal auf die Schippe und
verbindet ihn durch den beiliegenden Text zugleich ein wenig mit dem Gedanken
der Militanz im Wall-Noise-Bereich. Das
sollte man jetzt aber nicht fehldeuten und denken, dass das was ich mache nur
aus schlechten Witzen besteht. Ich mache keinen Fun-Noise. Wenn es Humor ist,
dann wohl einer der trocken, schwarz und sardonischer Art ist.
"Supreme
Nudity" ist an sich thematisch recht ernst und persönlicher Natur.
Hauptsächlich geht es thematisch um psychische Probleme. Natürlich alles recht
metaphorisch, aber die Grundstimmung hinter "Supreme Nudity" und die
Ideen dahinter beruhen schon auf einer Auseinandersetzung mit Themen wie
Depression, Hass und Selbsthass, Wut, Angst und Gewalt.
Bei meinen
Arbeiten und den Themen spielen, denke ich, eine Art zynischer Humor auch recht
häufig eine Rolle. Und gewisse persönliche Elemente fliessen natürlich sowieso
unweigerlich mit ein. Für andere Leute ist das natürlich an sich unmöglich
wirklich zu dekodieren, da ich, wie bereits gesagt, z.T. mögliche
Interpretationsmöglichkeiten selbst erst später bemerke. Das Unterbewusste
werkelt eben immer mit.
TM: Schön,
dass du den klassischen Power Electronics ansprichst! Was zeichnet diesen in
deinen Augen aus? Inwiefern verbeugst du als Künstler dich vor den Power
Electronics Tugenden?
Matthias:
Ich finde, dass klassische Power Electronics gerade auf Grund ihres
Minimalismus eine extreme Wirkung entfalten. Ich mag an den alten Aufnahmen die
dreckige, rohe Energie, die auch die Inhalte perfekt rüberbringt.
Gewalt,
Perversion und solche Themen sind für mich auch durchaus relevant, aber ich
beschränke mich nicht darauf. Ich habe offen gesagt keinen wirklichen Überblick
mehr über aktuelle Bands im PE-Bereich. Von den neueren haben mir die Sachen
auf True Force Pain ganz gut gefallen, weil die noch diesen Old School-Charme
haben. Ansonsten höre ich mir was PE angeht eben die älteren Bands an, die dann
natürlich auch einen gewissen Einfluss auf mich hatten oder haben. In letzter
Zeit habe ich recht häufig Atrax Morgue gehört. Marco's Veröffentlichungen
mochte ich immer recht gerne, weil sie für mich eine sehr ansprechende
Atmosphäre erzeugen.
Tatsächlich
habe ich in den letzten paar Monaten sogar selbst mal wieder PE-Material
aufgenommen, aber noch nix davon veröffentlicht. Mal sehen was damit passiert …
TM: Könntest
du dir vorstellen, PE Material unter dem Namen "Die Reitenden
Leichen" zu veröffentlichen? Oder würdest du einen anderen Namen wählen?
Matthias:
Nein, "Die Reitenden Leichen" würde ich definitiv nicht für PE
verwenden. Da müsste schon ein anderer Name her.
TM:
Abgesehen vom Musikstil, inwiefern unterscheidet sich "Die Reitenden
Leichen" von früheren Projekten wie "MX Nihil"? Hast du eine
andere Herangehensweise? Behandelst du andere Themen?
Matthias:
"MX Nihil" war schon noch eher PE als HNW oder HN. Der Sound war
insgesamt eher Synthesizer-basiert. Thematisch ging es auch eher in so ne'
klassische PE-Richtung, wobei sich das dann irgendwann auch gewandelt hat und
da habe ich beschlossen unter dem Namen "Die Reitenden Leichen"
weiterzumachen. Auch weil ich thematisch das Spektrum erweitert habe und dann
dachte, dass damit MXN an sein natürliches Ende gekommen ist. Ähnliche oder
gleiche Themen wie bei MXN tauchen auch bei DRL immer mal wieder auf, aber eben
nicht ausschliesslich.
Ich denke,
dass ich bei DRL mit diesen Themen auch noch ein wenig ironischer oder zynischer
umgehe, als ich das mit MXN tat.
TM: Mit
welchem Equipment nimmst du derzeit auf? Wie entstehen die Sounds von DRL?
Spielt der Synthesizer keine so große Rolle mehr?
Matthias:
Ich hatte längere Zeit keinen Synthesizer mehr und benutze als
Hauptsoundquellen nun seit einigen Jahren schon einen White Noise Generator,
einen Noise-Shaker und Kontakt-Mikrofone. Dazu kommen dann noch diverse
Distortion- und Fuzz-Pedals und zwei Multi-Effekt-Geräte. Ich experimentiere
aber immer wieder mal mit anderen Soundquellen. U.a. habe ich auch immer mal
wieder Fieldrecordings verwendet oder Tape-Loops usw.
Ich habe mir aber vor einiger Zeit doch mal
wieder einen kleinen Synth zugelegt und ein wenig damit experimentiert. Mal
sehen wie ich den zukünftig noch einbinde.
TM: Du hast
mit einigen anderen Künstlern Split Veröffentlichungen aufgenommen. Auf welche
Zusammenarbeiten bist du besonders stolz und warum? Mit wem würdest du gerne
einmal arbeiten?
Matthias:
Hm, ich bin
eigentlich mit allen Splits recht zufrieden. Insbesondere hat mir aber das Tape
mit Alo Girl gefallen … vielleicht auch weil es noch die aktuellste
Split-Veröffentlichung ist!?
Es soll schon seit einiger Zeit ein Split
7"-Lathe & CDr-Set mit Vomir auf Monolithische Aktion erscheinen.
Leider kommen mir finanziell immer wieder andere Dinge dazwischen. Auf anderen
Labels kommen wahrscheinlich auch noch Splits, auf die ich schon recht gespannt
bin.
Sehr gerne
würde ich mal was mit "The Rita" machen. Außerdem fände ich
"Tongue Knax" einen interessanten Split-Partner.
TM: Du hast
dich ja, wie du weiter oben geschrieben hast, mit DRL dem HNW verschrieben. Was
macht deiner Meinung nach den Reiz an HNW aus? Rein vom Klang her. Warum denkst
du, dass in der PE/Noise Szene viele eine kritische Haltung gegenüber HNW
haben?
Matthias:
Naja, völlig
puren HNW mache ich ja an sich nicht. Zumindest nicht ausschliesslich.
Ich glaube,
dass man den Reiz an HNW nur schwer erklären kann. Ich vergleiche das immer ein
wenig mit Kunst wie z.B. Malerei. Es gibt ne' Menge Menschen die mit abstrakter
Malerei absolut nichts anzufangen wissen. Und unter den Leuten die zwar
abstrakte Malerei mögen, gibt es immer noch genügend Personen die mit
Minimalismus nichts anfangen können. So ähnlich sehe ich das auch beim
Verhältnis von HNW zu HN und PE. Für mich persönlich verbindet sich das
irgendwie schon mit einer bestimmten, sehr persönlichen Philosophie oder
Weltsicht oder wie man es auch nennen mag, in der HNW eine Form des für mich
relevanten, ästhetischen Ausdrucks darstellt. Natürlich auch nicht jede
HNW-Veröffentlichung oder jeder Mensch der was in die Richtung veröffentlicht,
aber ich kann für mich etwas aus HNW herausziehen, was in gewisser Weise zu
meinen persönlichen Ansichten passt.
Geschmack ist
subjektiv und durch vielerlei Umstände, Zustände und Begebenheiten bedingt und
davon abhängig. Ich könnte jemandem der HNW von Herzen hasst, noch so
eindringlich versuchen zu erklären, warum es mir eben was gibt und er würde es
trotzdem nicht verstehen.
Für viele
Leute ist es unoriginell, monoton, langweilig, langatmig und was weiß ich was.
Oder es wird behauptet, dass alle die HNW produzieren sowieso nur The Rita oder
Vomir nachahmen. Das mag auf einige Leute ja auch zutreffen, aber im
Allgemeinen sind das auch diejenigen die das maximal ein Jahr ausprobieren und
dann im Nirvana verschwinden.
Und an sich
ist es mir auch völlig egal, wenn irgendwer was gegen HNW hat. Wenn Leute nix
besseres mit sich anzufangen wissen, als sich in Foren über eine bestimmte Art
von Noise auszukotzen … naja, sei's drum!
TM: Du hast
gesagt, dass du mit "Kvlt" den Black Metal Elitismus ein wenig auf
die Schippe nimmst und das quasi ein wenig auf das HNW Manifest erweiterst. Hast
du so etwas wie ein eigenes Manifest, dass deinen Noise beschreibt? Wenn ja,
was besagt es?
Matthias: So
was wie ein definitives Manifest habe ich an sich nicht. Ich würde aber sagen,
dass der Text den ich für die Veröffentlichung "Rauschen & Simulation"
geschrieben habe dem recht nahe kommt. Den Text kann man auch im Internet
nachlesen. Unter:
TM: Auf der
Webseite von "Monolithische Aktion" habe ich einen Text gefunden, der
unter anderem Hipstertum, "falsche" Künstler usw kritisiert. Was
bedeutet "echte" Kunst für dich? Welchen Sinn hat sie?
Matthias:
Naja, das ist auch wieder so ein Text der ein bisschen den Elite-Wahn auf die
Schippe nehmen sollte. Andererseits beinhaltet er schon ein paar Körnchen
Wahrheit. Ich habe manchmal schon das Gefühl, dass es eine HNW-Welle gab bei
der dann auch so manch einer auf den Zug aufgesprungen ist, weil es irgendwie
neu und schräg und deshalb cool war. Das ist ja bei Black Metal oder Punk nicht
anders. Natürlich haben Slogans wie "Militant Walls", "Harsh
Noise Purity" oder die Slogans von Vomir ihren eigenen Charme, aber es ist
halt schon ekelhaft, wenn man sich einer Sache nur zuwendet, weil sie gerade
irgendwie neu und "weird" zu sein scheint. Und das Gefühl hatte ich
teilweise schon manchmal. Aber vielleicht täusche ich mich da auch!? Das
"trve" in dem Text war in dem Zusammenhang natürlich auch wieder auf dieses
"TRVE" und "KVLT"-Gefasel im Black Metal oder Metal
allgemein bezogen und da gibt es ja dann mit sowas wie "Harsh Noise
Purity" eine Parallele mit HNW. Ich hab mit solchen Texten irgendwie immer
versucht, solche Ideen zu überzeichnen und völlig überspitzt darzustellen. Wobei
ich an sich mit derlei Begriffen gar keine Probleme habe, aber man sollte es
auch nicht zu bierernst nehmen. Man sollte als Noise-Künstler schon absolut
hinter dem stehen was man tut und es ernsthaft betreiben, aber deshalb muss man
keine Religion daraus machen.
Tja, was ist
"wahre" Kunst und was ist "falsche"?
Ich finde
bei künstlerischen Tätigkeiten allgemein ein paar Punkte fundamental wichtig,
um einen Künstler ernst nehmen zu können:
1. Das der
Künstler wirklich konsequent sein Ding durchzieht, ohne allzu sehr auf die
Meinung anderer Leute zu achten. Natürlich freut es jeden der sich künstlerisch
betätigt, wenn er von der Außenwelt bestätigt wird, aber am wichtigsten sollte
es sein, dass man das tut was man selbst tun will. Egal ob man dafür gemocht
wird oder ob nicht.
2. Ist dafür
grundlegend wichtig, sich nicht nur betätigend mit Kunst zu beschäftigen,
sondern sich auch theoretisch damit auseinanderzusetzen. Also auch die eigene
Tätigkeit zu reflektieren und zu hinterfragen. Wer z.B. malt, aber sich nie mit
Kunstgeschichte oder Kunsttheorie beschäftigt hat, ist für mich kein
ernstzunehmender Maler.
3. Gehört
auch ein gewisser Drang sich zu präsentieren dazu. Wie gesagt, was andere über
das was man macht denken ist erstmal egal, aber wer seine Kunst nur im stillen
Kämmerlein betreibt, ohne sich der Konfrontation mit der Außenwelt auszusetzen
und möglicher Weise dafür harsch kritisiert zu werden, ist für mich nicht sehr
ernst zunehmen. Kunst braucht einen Kontext. Ohne Kontext in dem sie stattfindet,
ist es auch keine Kunst.
Ich habe
schon diverse, bisher noch unveröffentlichte Texte zu Themen wie Noise und
Kunst und Ideologie und deren Zusammenhänge geschrieben und werde diese
vielleicht mal als kleines Zine veröffentlichen.
TM: Wie du
weiter oben erwähnt hast, hast du früher unter dem Namen "World
Nihil" releast. Was war der Grund dafür, "World Nihil" zu Grabe
zu tragen?
Matthias: WN
war schon in gewisser Hinsicht sehr chaotisch und auch die Stilwechsel waren
z.T. wirklich heftig. Das ging von HN zu PE über zu Pseudo-Military Pop zu Dark
Ambient zu old school Industrial zu Power Noise usw. World Nihil war schon ein
Versuchsfeld für mich. Als ich damit anfing war ich gerade mal 18 Jahre alt und
entsprechend noch ziemlich wild am ausprobieren.
Als ich mich
entschlossen habe WN zu beenden und "Monolithische Aktion" zu starten
hatte ich schon ein wesentlich klareres Bild vor Augen von dem was ich machen
wollte. Inzwischen bin ich auch glaube ich an dem Punkt angekommen, wo ich mir
ganz gut vorstellen kann was ich noch ändern will, bis MA wirklich so ist wie
ich es haben möchte. Derzeit ist alles zugegebener Maßen immer noch etwas zu
schwammig für meinen Geschmack, aber das sollte sich relativ leicht korrigieren
lassen.
TM: Weißt du
noch, wie du damals zum Noise kamst? Welche Bands haben die Begeisterung in dir
entfacht? Was sind deine liebsten Noise Projekte?
Matthias:
Ich glaube die erste Noise-Platte die ich gekauft habe war "Blood &
Flame" von NON. Und NON hatte schon einen recht großen Einfluss auf mich.
Dann wären da natürlich noch Whitehouse, Mauthausen Orchestra, Dead Body Love,
The New Blockaders und Atrax Morgue.
Mir würden
sicherlich auch noch ein paar mehr einfallen aber ich belasse es mal bei
diesen, was die Einflüsse anbelangt.
Sehr gerne
mag ich natürlich die bereits genannten Künstler, aber auch: The Rita, Vomir,
Werewolf Jerusalem, Alo Girl, Tongue Knax, Mania, Taint und Azoikum. Ich könnte
jetzt auch hier noch etliche mehr aufzählen, aber das sind so die Jungs von
denen ich mir auch in letzter Zeit einiges angehört habe.
TM: Eine
abschließende allgemeine Frage: welche Filme, Bücher, Kunstwerke etc.
inspirieren und faszinieren dich? Welche Kunstformen außer Noise interessieren
dich?
Matthias:
Ich hab mich eigentlich schon immer für Malerei interessiert und male auch
selbst seit vielen Jahren. Außerdem schreibe ich auch recht viel. Ein paar
Texte von mir wurden im Inside Artzine abgedruckt.
In der
bildenden Kunst interessiert mich hauptsächlich das Abstrakte und die
Avantgardismen. Suprematismus, Futurismus, Surrealismus, Dadaismus, Fluxus,
Wiener Aktionismus, abstrakter Expressionismus, Situationismus, Minimal Art …
auch ne' endlose Liste.
Was Bücher
angeht so lese ich großteils Sachen aus den Bereichen Philosophie, Kunst,
Geschichte, Psychologie und gelegentlich ein bisschen True Crime. Daneben
mochte ich die Bücher von J.G. Ballard, De Sade, Peter Sotos, H.P. Lovecraft,
Edgar Allen Poe und Sir Arthur Conan Doyle ganz gerne.
"Die
120 Tage von Sodom", "Menschenfeind", "Crash",
"Videodrom", "Clockwork Orange", "Taxi Driver"
und "M-Eine Stadt sucht einen Mörder". Das sind so ein paar der Filme
die ich mir immer wieder anschaue und die mich trotzdem nicht langweilen.
Andererseits
hab ich auch ein unbestreitbares Faible für Horror-Filme. Dabei u.a. die
Slasher-Klassiker natürlich, aber auch der gute alte Gothic-Horror. Und
"Jaws" ist für mich auch noch immer ein essentieller Film, den ich
wieder und wieder und wieder anschauen kann und er wird mir nicht langweilig.
Außerdem mag
ich Hörspiele sehr gerne und auch dabei besonders die Grusel-Dinger. Vor allem
die alten und relativ trashigen Teile wie z.B. die John Sinclair-Hörspiele aus
den Braun-Studios finde ich, auf Grund ihrer Grottigkeit, grandios.
Gruselkabinett, Gabriel Burns, die schwarze Sonne, die neuen Sinclair-Hörspiele
und die H.P. Lovecraft-Hörbücher finde ich sehr gut. Natürlich hab ich meine
Präferenzen in allen Bereichen, aber es gibt zu vieles was man noch nicht
gesehen, gelesen oder gehört hat, um vor irgendwas das Hirn zu verschliessen.
TM: Damit
wären wir am Ende unseres Interviews angelangt. Ich bedanke mich noch einmal
für deine interessanten Antworten. Die letzten Worte gehören dir.
Matthias:
Vielen Dank für Dein Interesse und die interessanten Fragen. Gruß und Dank an
alle die mich und meine Arbeit unterstützen. Wall on!
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