Merzbow ist wohl einer der wichtigsten Namen im japanischen
Noise (bzw. Japanoise) Bereich und steht so für das Subgenre, wie Whitehouse
für den britischen Power Electronics Stil. Der Japaner bringt seit 1979 Noise Releases
heraus und hat, zusammen mit Weggefährten wie Masonna, KK Null, The Incapacitants
und Government Alpha, eine unverwechselbare, chaotische und höchst exzentrische
Form des Harsh Noise salonfähig gemacht, die bei Post-Industrial Freunden weltweit
für Begeisterung gesorgt hat und immer noch sorgt.
Im Jahre 2008 nahm Masami Akita, so der bürgerliche Name des
Noise Künstlers, das Album „Here“ auf, welches auf dem deutschen Industrial
Label L. White Records veröffentlicht wurde. Auf 3 Tracks mit insgesamt über 50
Minuten Spielzeit bekommt der Fan hier die Unterhaltung geboten, die er von
Merzbow kennt und liebt. Viele werfen dem Herren einen zu hohen, mittlerweile
uninspirierten und langweiligen Output vor, während andere wiederum seine
aktuellen Werke so begeisternd finden, wie nie zuvor. In wie weit kann „Here“
also überzeugen?
Der erste Track „Here“ setzt mit Computer-haften Klängen
ein, welche jedoch innerhalb von wenigen Sekunden schneller und mehrlagiger
werden und in einem sehr gelungen Wechselspiel eine nicht uninteressante
Klangcollage ergeben, wie man sie von dem Urgestein aus neueren Tagen kennt und
gegebenenfalls schätzt. Nach einiger Zeit gesellen sich auch etwas rauere,
metallische Klänge dazu, die dem Ganzen einen etwas Harsh Noisigeren Anstrich
verpassen und dem Geschehen auch einiges an Würze verleihen. Ohne dass man es
aktiv mitbekommt, tauscht Merzbow alte Sounds durch neue aus, führt sie später
jedoch wieder ein etc., sodass die Klangkulisse sich immer ihren Geist behält,
aber dennoch genug Bewegung aufweist, um den Hörer auf Trab zu halten.
Stellenweise erreicht die Kombination wahre Höhepunkte und kann über die 20
Minuten Spielzeit munter halten.
Dieser Herangehensweise folgt auch der zweite Titel „Torikabuto“,
jedoch sind die Sounds in diesem Lied von Anfang an roher, direkter und
verzerrter und erinnern an die frühen analogen Tage der japanischen Noise
Szene. Druckvoll, heftig und zielgenau führt Masami auch hier wild klingende,
brummende und stechende Frequenzen zusammen und bändigt sie dennoch in einem
gewissen Maße, sodass trotz aller Dynamik so etwas wie Konzept entsteht. Dieses
wird gegen Ende noch weiter ausgebaut, sodass Struktur und Chaos genau die
richtige Mitte finden und einen Track ergeben, der dem starken Opener in nichts
nachsteht, ja, ihn sogar noch toppt. Nicht zuletzt wegen der analog klingenden brutalen Klänge am Anfang.
Nach diesem 24 minütigen Biest folgt der letzte und kürzeste Track „Pigeon Car“.
Dieser krächzt und schrillt vor sich hin und könnte wohl mit der
kakophonischste Beitrag auf diesem Album sein, was natürlich als Lob zu
verstehen ist. Auch wenn die kompositorischen Fähigkeiten bei den anderen
Tracks vielleicht besser zum Tragen kommen, ist es doch erfrischend zu sehen,
dass Herr Merzbow schlussendlich doch noch den Mut zur kruden Hässlichkeit beweist
und meilenweit von dem Hipstertum entfernt ist, das ihm so viele Leute
vorwerfen. Die verzerrten Klänge ziehen sich durch den gesamten Track und
erinnern wahrlich an Glanzzeiten des japanischen Noise zurück. Ein Erfolg auf
ganzer Linie!
Fazit: „Here“ ist ein Album, welches als Harsh Noise CD sehr
gut funktioniert. Ohne großartige Spirenzchen und Experimente wird einem hier
gelungener Noise serviert, welcher wirklich mehr als passabel ist und
stellenweise wirklich zur Hochform aufläuft. Obwohl man Masami schon stärker
gehört hat, kann man „Here“ dennoch als eines der stärksten Alben seiner „neueren“
Schaffensphase ansehen. Vor allem weite Stellen des zweiten und der gesamte
dritte Track entpuppen sich als absolute Wonne. Freunde des japanischen Noise
sollten den Kauf dieses Albums, welches übrigens in einem schicken Digipack
veröffentlicht wurde, absolut nicht bereuen.
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