Mittwoch, 17. September 2014

REVIEW: NEKROMANTIE - DAS ANTIKE WISSEN ÜBER DIE TOTENBESCHWÖRUNG DURCH MAGIE (Daniel Ogden, Edition Roter Drache)



Nekromantie – oder, salopp gesprochen, die Beschwörung der Toten – ist ein Thema, welches in unserem Kulturkreis um einiges präsenter ist, als es zunächst scheinen mag. Von vielen Jugendlichen als Partyspiel leichtsinnig missbraucht und in Horrorfilmen häufig verarbeitet, ist die Totenbeschwörung eines der „beliebtesten“ und am weitesten verbreiteten okkulten Praktiken, welche man sich vorstellen kann. Trotz des hohen Bekanntheitsgrades, lassen sich viele Erzählungen und Analysen von meistens unwissenden Teilnehmern eines solchen „Rituals“ wohl getrost als Humbug abtun und generell erscheint es schwierig, sich ernstzunehmende und glaubhafte Abhandlungen über die Nekromantie zu besorgen. Dass es auch ernste und vor allem fundierte Werke zum Thema gibt beweist das Buch „Nekromantie – Das antike Wissen über die Totenbeschwörung durch Magie“ (Originaltitel: Greek and Roman Necromancy) von Daniel Ogden. Dieser ist Professor für antike Geschichte (unter anderem mit dem Schwerpunkt auf griechische Religion) an der renommierten University of Exeter und dementsprechend professionell ist auch sein Werk ausgefallen.




„Nekromantie“ ist keine Anleitung zur Totenbeschwörung, sondern eine sehr detaillierte und interessante Abhandlung über diese Praktik im antiken Griechenland und (teilweise) auch in Rom. Hierbei geht Ogden, wie man es von einem Mann seines Kalibers auch nicht anders erwarten würde, extrem wissenschaftlich und gründlich vor. Jede Äußerung ist einer wissenschaftlich relevanten Quelle entnommen, welche wiederum – wie es bei einer solchen Arbeit immer der Fall ist – direkt angegeben wird. Ogden verwendet hierbei historische Dokumente und auch antike Literatur, zum Beispiel die Odyssee und die Ilias. Durch seinen Tiefgang und seine offensichtliche Fachkenntnis sind seine Darstellungen äußerst belebt und vielschichtig, sodass nie Langeweile aufkommt und dem Leser stets das Gefühl vermittelt wird, dass er das Thema in all seinen Facetten vorgestellt bekommt. 



Ogden teilt sein Buch über die antike Totenbeschwörung in vier Bereiche auf, namentlich: „Orte“, „Menschen“, „Techniken“ und „Theorie“, welche ihrerseits wiederum in einzelne Kapitel unterteilt sind. In „Orte“ werden zunächst solche bekannten Lokalitäten wie das Acheron Totenorakel vorgestellt, räumlich beschrieben und mit Hilfe von Lage- und Bauplänen veranschaulicht. Schon in diesem ersten Kapitel wird klar, wie viel es über die Thematik zu sagen gibt und wie stark Ogden ins Detail geht. So dürften zum Beispiel selbst Leser mit erheblichen Vorkenntnissen im Bereich „Menschen“ erstaunt darüber sein, was es hier alles an neuem Wissen zu entdecken gibt und was der Autor aus den Dokumenten für Thesen abzuleiten vermag. Am interessantesten gestalten sich jedoch zweifelsohne die beiden letzten Abschnitte. Hier werden unter anderem die verschiedenen Opfergaben und Beschwörungsrituale haarklein beschrieben und kritisch betrachtet, was wohl für viele das Kernstück des Buches darstellen dürfte. Das letzte Kapitel beinhaltet einige sehr interessante Denkansätze bezüglich dem transzendentalen Zustand zwischen Leben und Tod, der materiellen Beschaffenheit der Geister und der gesellschaftlichen Konnotation der Geisterbeschwörung. Gerade letzteres ist ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt von „Nekromantie“, denn abgesehen vom den offensichtlichen Informationen, die sich aus der Analyse der Kernthematik heraus ergeben, lässt das Buch auch Rückschlüsse auf die beschriebenen Gesellschaftsformen zu und informiert den Leser nebenbei auch über ihre jeweiligen Mythologien und Ideale. Interessierte bzw. Praktiziernde werden auch sicherlich aus den Schilderungen zumindest Denkanstöße zur Totenbeschwörung herauslesen können, doch wie der jeweilige Leser hierzu steht, ist selbstverständlich ihm überlassen.

Fazit: Ausführliches, interessantes und lesenswertes Werk über ein Thema, welches so gut wie nie auf diesem Niveau untersucht wird. „Nekromantie – Das antike Wissen über die Totenbeschwörung durch Magie“ nimmt sich der Totenbeschwörung mit Vernunft, Rationalität und Respekt an und unterhält und informiert auf höchstem Niveau. Vor allem aufgrund der Professionalität und Detailgenauigkeit und den „indirekten Informationen“, welche zwischen den metaphorischen Zeilen verborgen liegen, ist Ogdens Buch Geschichtsinteressierten ebenso wie Okkultisten gleichermaßen zu empfehlen.


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