Nekromantie – oder,
salopp gesprochen, die Beschwörung der Toten – ist ein Thema,
welches in unserem Kulturkreis um einiges präsenter ist, als es
zunächst scheinen mag. Von vielen Jugendlichen als Partyspiel
leichtsinnig missbraucht und in Horrorfilmen häufig verarbeitet, ist
die Totenbeschwörung eines der „beliebtesten“ und am weitesten
verbreiteten okkulten Praktiken, welche man sich vorstellen kann.
Trotz des hohen Bekanntheitsgrades, lassen sich viele Erzählungen
und Analysen von meistens unwissenden Teilnehmern eines solchen
„Rituals“ wohl getrost als Humbug abtun und generell erscheint es
schwierig, sich ernstzunehmende und glaubhafte Abhandlungen über die
Nekromantie zu besorgen. Dass es auch ernste und vor allem fundierte
Werke zum Thema gibt beweist das Buch „Nekromantie – Das antike
Wissen über die Totenbeschwörung durch Magie“ (Originaltitel:
Greek and Roman Necromancy) von Daniel Ogden. Dieser ist Professor
für antike Geschichte (unter anderem mit dem Schwerpunkt auf
griechische Religion) an der renommierten University of Exeter und
dementsprechend professionell ist auch sein Werk ausgefallen.
„Nekromantie“ ist
keine Anleitung zur Totenbeschwörung, sondern eine sehr detaillierte
und interessante Abhandlung über diese Praktik im antiken
Griechenland und (teilweise) auch in Rom. Hierbei geht Ogden, wie man
es von einem Mann seines Kalibers auch nicht anders erwarten würde,
extrem wissenschaftlich und gründlich vor. Jede Äußerung ist einer
wissenschaftlich relevanten Quelle entnommen, welche wiederum – wie
es bei einer solchen Arbeit immer der Fall ist – direkt angegeben
wird. Ogden verwendet hierbei historische Dokumente und auch antike
Literatur, zum Beispiel die Odyssee und die Ilias. Durch seinen
Tiefgang und seine offensichtliche Fachkenntnis sind seine
Darstellungen äußerst belebt und vielschichtig, sodass nie
Langeweile aufkommt und dem Leser stets das Gefühl vermittelt wird,
dass er das Thema in all seinen Facetten vorgestellt bekommt.
Ogden teilt sein Buch über
die antike Totenbeschwörung in vier Bereiche auf, namentlich:
„Orte“, „Menschen“, „Techniken“ und „Theorie“, welche
ihrerseits wiederum in einzelne Kapitel unterteilt sind. In „Orte“
werden zunächst solche bekannten Lokalitäten wie das Acheron
Totenorakel vorgestellt, räumlich beschrieben und mit Hilfe von
Lage- und Bauplänen veranschaulicht. Schon in diesem ersten Kapitel
wird klar, wie viel es über die Thematik zu sagen gibt und wie stark
Ogden ins Detail geht. So dürften zum Beispiel selbst Leser mit
erheblichen Vorkenntnissen im Bereich „Menschen“ erstaunt darüber
sein, was es hier alles an neuem Wissen zu entdecken gibt und was der
Autor aus den Dokumenten für Thesen abzuleiten vermag. Am
interessantesten gestalten sich jedoch zweifelsohne die beiden
letzten Abschnitte. Hier werden unter anderem die verschiedenen
Opfergaben und Beschwörungsrituale haarklein beschrieben und
kritisch betrachtet, was wohl für viele das Kernstück des Buches
darstellen dürfte. Das letzte Kapitel beinhaltet einige sehr
interessante Denkansätze bezüglich dem transzendentalen Zustand
zwischen Leben und Tod, der materiellen Beschaffenheit der Geister
und der gesellschaftlichen Konnotation der Geisterbeschwörung.
Gerade letzteres ist ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt von
„Nekromantie“, denn abgesehen vom den offensichtlichen
Informationen, die sich aus der Analyse der Kernthematik heraus
ergeben, lässt das Buch auch Rückschlüsse auf die beschriebenen
Gesellschaftsformen zu und informiert den Leser nebenbei auch über
ihre jeweiligen Mythologien und Ideale. Interessierte bzw.
Praktiziernde werden auch sicherlich aus den Schilderungen zumindest
Denkanstöße zur Totenbeschwörung herauslesen können, doch wie der
jeweilige Leser hierzu steht, ist selbstverständlich ihm überlassen.
Fazit: Ausführliches,
interessantes und lesenswertes Werk über ein Thema, welches so gut
wie nie auf diesem Niveau untersucht wird. „Nekromantie – Das
antike Wissen über die Totenbeschwörung durch Magie“ nimmt sich
der Totenbeschwörung mit Vernunft, Rationalität und Respekt an und
unterhält und informiert auf höchstem Niveau. Vor allem aufgrund
der Professionalität und Detailgenauigkeit und den „indirekten
Informationen“, welche zwischen den metaphorischen Zeilen verborgen
liegen, ist Ogdens Buch Geschichtsinteressierten ebenso wie
Okkultisten gleichermaßen zu empfehlen.
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