Im Leben der jungen Valerie gehen
merkwürdige Dinge vor sich. Sie erblickt häufig eine seltsame,
geisterhafte Gestalt, die ihr nachzustellen scheint. Dieser Verdacht
erhärtet sich, als sie davon in Kenntnis gesetzt wird, dass dieses
Geschöpf sie begehrt. Es verschafft sich Zugang zu ihrem Haus und
nistet sich ein. Gefährliche Intrigen werden gesponnen.
„Valerie – Eine Woche voller
Wunder“ ist ein 1970 gedrehter Film aus Tschechien. Regisseur
Jaromil Jires verfilmt den gleichnamigen Roman des Autors Vitezslav
Netzval aus dem Jahre 1945 als surrealistisches Werk, das irgendwo
zwischen Horror und Fantasy einzuordnen ist. Die Mysterien und
Gefahren, denen Valerie sich stellen muss, offenbaren sich langsam
und im Verborgenen, sodass der gesamte Film mystisch und träumerisch
wirkt. Neben den grandiosen Sets besticht „Valerie – Eine Woche
voller Wunder“ nicht zuletzt durch eine hoch erotische und
sinnliche Komponente.
Als das 13-jährige Mädchen Valerie in
einer Gartenlaube einschläft, versucht ein Junge ihr die Ohrringe zu
stehlen. Zeitgleich taucht immer wieder eine Gestalt mit weißer,
monsterartiger Fratze auf, die immer direkten Blickkontakt mit ihr
sucht und es auf sie abgesehen zu haben scheint. Wenig später gibt
der Dieb ihr die Ohrringe zurück und gibt sich als Orlik zu
erkennen. Er verrät ihr, dass diese Gestalt ein Monster ist, welches
„Iltis“ genannt wird und sich in sie verliebt hat. Nach einer
kirchlichen Zeremonie wird sie vom Iltis entführt, der ihr zeigt,
wie ihre Großmutter (bei der sie lebt) sich vor einem ehemaligen
Geliebten, dem Priester Gracian, selbst auspeitscht und sich ihm
unterwirft. Nachdem Valerie und ihre Großmutter am nächsten Tag mit
Gracian zusammen gegessen haben und dieser versucht, sie zu
verführen, stellt sich heraus, dass der Iltis ein ehemaliger
Geliebter ihrer Großmutter ist, dem sie heute noch verfallen ist. Er
bietet ihr an, sie wieder jung und schön zu machen und fordert im
Gegenzug das Anwesen, das eigentlich Valerie zusteht. Sie willigt ein
und verwandelt sich in eine junge, hübsche Vampirin. Nun, da der
Iltis freien Zugang zum Haus hat, kann er seinen Plan in die
Wirklichkeit umsetzen.
Die Handlung von „Valerie – Eine
Woche voller Wunder“ breitet sich langsam und müßig aus und baut
weniger auf Spannung, als auf Mystik und Verwirrung. Lange ist
unklar, was es mit dem immer wiederkehrenden Wesen auf sich hat und
über weite Strecken scheint die Symbolik über dem Handlungsaufbau
zu stehen. Erst nach und nach kristallisiert sich das eigentliche
Dilemma heraus und wird konkreter. Doch ein gewisser träumerischer,
surrealistischer Grundton wird konstant aufrecht erhalten, sodass die
etwas vage und sprunghafte Handlung dem Tenor des Films sehr zu Gute
kommt. Jires schafft es von Anfang an, durch gewiefte
Bildkompositionen eine starke Atmosphäre aufzubauen, die er
kontinuierlich aufrecht erhält. Diese viel beschriebene
Märchenhaftigkeit kommt zunächst einmal durch die Settings und die
Charaktere. Die Handlung dreht sich um die bildhübsche, unschuldige
Valerie, welche mit ihrer verschrobenen, geheimnisvollen Großmutter
in einem großen Haus wohnt. Durch den Jungen Orlik kommt eine
typisch märchenhafte Liebesgeschichte ins Spiel und der Iltis ist
der Böse Gegenspieler. Dieser ist ein widerlich aussehender,
bleicher, kahlgeschorener Dämon mit langen, fauligen Zähnen und
langer, schwarzer Mönchskutte und somit ein optisch wirklich gut
gewählter Bösewicht. Ähnlich stimmig sind auch die Umgebungen und
Sets. In der Höhle des Ilitis brodeln Zaubertränke und Spinnweben
hängen von den Decken, wohingegen Valerie durch malerische, blühende
Landschaften läuft und in einem perlweißen, prinzessinnenhaften
Zimmer wohnt. Dieses bewusste Spiel mit Farben bzw. das starke
Wechselspiel zwischen schwarz und weiß spielt über die gesamte
Laufzeit eine große Rolle und kann durchaus als einer von Jires'
visuellen Kunstgriffen angesehen werden, die die Wirkung sehr positiv
beeinflussen.
Unter der bunten, traditionell
„schönen“ Oberfläche verbirgt sich eine große Anzahl von
Symbolen und Motiven, welche sich als sehr aussagekräftig und
durchdacht entpuppen. Neben solchen gängigen Motiven wie
Jugendlichkeit, Sehnsucht nach Anerkennung und Liebe und den typisch
märchen- und zauberhaften Aspekten, wie den verzauberten Ohrringen
und den magischen Künsten des Iltis, ist vor allem die Art
interessant, in der Religion dargestellt wird. Es liegt eine gewisse
Spiritualität über dem gesamten Geschehen, welche teilweise
unterschwellig und teilweise konkret zum Tragen kommt. Neben den
okkulten Fähigkeiten des Iltis ist auch der Charakter des Priesters
Gracian von Belang. Dieser verkörpert das Prinzip von destruktiver
und gefährlicher Religiosität, welches sich im Film nach und nach
ausbreitet und einen großen Einfluss auf Valeries Schicksal hat. Er
tritt als frommer und tugendhafter Christ auf, doch versucht später,
Valerie zu vergewaltigen und stellt sie später noch als Hexe an den
Pranger. Weiterhin hat Jires die Vampirthematik sehr gut in die
Handlung eingebaut, sodass sie als separater Faden funktioniert, ohne
jedoch der Haupthandlung im Weg zu stehen. Dieser kleine Note
Vampirhorror, die durch die sehr attraktive Darstellerin und die
ausgeprägt sexuelle Note ein wenig an einige Filme von Jean Rollin
erinnert (natürlich ein ungeheurer Pluspunkt), stellt eine sehr
gelungene Nebenhandlung dar, die genau die richtige Screentime
bekommen hat und willkommene Horror-Abwechselung bietet, ohne die
Grundwirkung des Films zu verfälschen.
Wie oben erwähnt ist „Valerie –
eine Woche voller Wunder“ ein sehr „schöner“ Film, was nicht
nur durch die ästhetischen Sets, sondern auch durch eine erotische
und sinnliche Aufladung bedingt ist. Jires Märchen ist - wie die
„normalen“ Märchen eigentlich auch – voll von Anspielungen auf
Sexualität. Valerie ist eine jugendliche Heldin, deren
Jungfräulichkeit ein Kernaspekt des Werkes ist. Ihr aufkeimender
Sexualtrieb offenbart sich zum Beispiel in den Szenen, in denen die
Männer ihr gegenüber sexuelle Begierde zeigen oder sie mit ihrer
Großmutter über ihre erste Regelblutung spricht, weiterhin wird sie
durch partielle Nacktheit und aufreizende Kleidung auch auf stark
erotisierte Art in Szene gesetzt. Diese früh-jugendliche,
lolita-esque Jungfrauensymbolik findet wohl ihren Höhepunkt in einer
Messe, die der Iltis für alle Jungfrauen des Dorfes abhält. Der
Text liest sich wie eine Hymne auf die weibliche Enthaltsamkeit und
spielt somit – ebenso wie die gesamten erotischen Aspekte des Films
– sehr gekonnt mit den sexuellen Konzepten, die gängigerweise mit
der klassischen, „unbefleckten“ Märchenheldin verbunden werden –
nicht zuletzt wegen den sexuell aggressiven männlichen Charakteren.
Doch „Valerie – eine Woche voller Wunder“ geht einen Schritt
weiter und präsentiert auch offen erotische Szenen, z.B. die
lesbischen Liebesspiele, die Valerie in der Natur betrachtet und die
verführerischen Mordakte der Vampirin, die einst ihre Großmutter
war. „Valerie – eine Woche voller Wunder“ ist ein Film, der
mehr auf Ästhetik als auf Handlung setzt und innerhalb dieses
Verständnisses von Schönheit offenbart sich die Erotik als ein auf
vielen Ebenen wirkendes, durchdachtes Konstrukt, welches eines der
größten Vorzüge des Films ist.
Fazit: „Valerie – eine Woche voller
Wunder“ ist ein bildgewaltiger und erotischer Märchenfilm, der vor
allem durch ästhetische Sicherheit zu gefallen weiß. Durch die
kurze Laufzeit und die gewollt konfuse Handlung kommt kaum Langeweile
auf und die surrealistischen Aspekte stellen eine dezente Aufwertung
dar, ohne dass sie den Filmgenuss für Zuschauer schmälern, welche
vielleicht weniger mit dieser Stilrichtung anfangen können. Trotz
aller Schönheit sind jedoch vor allem die gruseligen und
„gothischen“ Aspekte sehr vordergründig, sodass man bei
„Valerie“ wohl auch bis zu einem gewissen Grade von einem
Horrorfilm sprechen kann. Die Mischung ist jedoch so gut
abgeschmeckt, dass ein stimmiger, unterhaltsamer und vor allem
schöner Film herausgekommen ist.
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