In einer unmoralischen,
konsumorientierten Gesellschaft finden sich ein von Rückschlägen
gebeutelter Mann und ein durchgedrehtes Schulmädchen zusammen, um
gegen die Umtriebe, die sie so sehr stören, vorzugehen. Dies tun sie
natürlich mit brachialer Waffengewalt. Nach einigem Zögern werden
sie zu einem eingespielten Team und ziehen meuchelnd durch die
Staaten. Der letzte Coup soll etwas Großes werden, was die TV-Nation
Amerika erschüttern soll.
Sozial- und Medienkritik
ist heutzutage fast schon so alltäglich, wie es die Medien selbst
sind. Gerade in dem Filmbereich, der gängigerweise mit der Worthülse
„kontrovers“ umschrieben wird, ist es wohl schwer einen Film zu
finden, der nicht ansatzweise gesellschaftskritisch ist, oder
zumindest von übereifrigen Fans in diese Ecke gestellt werden kann.
Innerhalb dieser Flut von zu konsumierbaren und abgedroschenen
filmischen Äquivalenten zu leeren Phrasen schafft „God Bless
America“ es jedoch als verhältnismäßig frisches, bitteres und
böses Werk herauszustechen. Der tragikomische, anarchische Beitrag
von Bobcat Goldthwait (der übrigens eine der tragenden Rollen in der
„Police Academy“ Reihe spielte) wurde sehr gut aufgenommen und
auf vielen der gängigen Plattformen außerordentlich positiv
bewertet. Hierfür gibt es eine hohe Anzahl von Gründen, welche
allesamt nicht von der Hand zu weisen sind. Inwiefern eine solch
groteske Gesellschaftskritik auf fruchtbaren Boden stößt, hängt
natürlich stark vom Zuschauer und seinem Weltbild ab, dass „God
Bless America“ um einiges mehr ist, als ein „Natural Born
Killers“ Rip-Off, ist jedoch zu keiner Sekunde anzuzweifeln.
Frank ist am Boden
zerstört. Seine Ehe ist in die Brüche gegangen, seine Tochter hasst
ihn und er lebt alleine in einem kleinen Haus neben einem
proletenhaften Pärchen mit einem durchgehend schreienden Baby. Nacht
für Nacht zappt er sich durch die Fernsehkanäle und ist entsetzt
und angeekelt von dem, was er zu sehen bekommt. Als er dann noch
wegen einer Lapalie seine Arbeit verliert und ihm von ärztlicher
Seite mitgeteilt wird, dass ein tödlicher Hirntumor in seinem Kopf
heranwächst, brennt ihm die Sicherung durch. Er klaut den Sportwagen
seines Nachbarn und zieht aus um das zickige Mädchen aus einer „My
Super Sweet 16“-artigen Sendung umzubringen. Hierbei beobachtet ihn
Roxanne, eine Mitschülerin der Ermordeten, welche sofort hin und weg
ist. Sie sucht ihn auf, hält ihn vom Selbstmord ab und überredet
ihn dazu, weiterhin Rache an der Gesellschaft zu nehmen, die sie
beide so sehr verabscheuen. Nachdem sie auch noch den Eltern der
Ermordeten einen Besuch abgestattet haben, nimmt Frank sie als seine
Komplizin auf und die beiden ziehen mordend durch Amerika.
„God Bless America“
ist unter anderem deshalb ein starker Film, weil er sehr sympathische
Hauptfiguren hat. Frank ist im Grunde genommen ein guter Kerl, der
aufgrund seiner misslichen Lage automatisch Mitgefühl erweckt.
Innerhalb einer kalten und stupiden Welt ist er quasi ein moralischer
und anständiger Gegenpol, der frustriert ist, weil er mit seiner
zivilisierten und hinterfragenden Art bei seinen Mitmenschen auf
Granit beißt. Sehr schön zeigt sich dies in der Szene, in der ihm
gekündigt wird, weil eine Mitarbeiterin sich beschwert hat, weil er
ihr Blumen geschickt hat. Gerade die Tatsache, dass er ein so
menschlicher Charakter ist, macht ihn als Mörder so interessant.
Roxanne ist hierbei das ideale Gegenstück zum verbitterten Frank.
Sie sprüht vor jugendlichem Enthusiasmus und tritt als
vereinnahmende, überdrehte Person auf, was sie zum perfekten
Sidekick macht. Interessant ist, dass ihr Hass auf die Gesellschaft
fast schon festgefahrener und fatalistischer ist, als der von Frank
und dass sie zu weiten Teilen auch überzeugter von dem zu sein
scheint, was die beiden tun.
„God Bless America“
entpuppt sich – trotz einer fulminanten ersten Hälfte – über
weite Stellen als überraschend erwachsener Film, der seine
Charaktere und ihre Handlungen ernst nimmt und sie nicht nur als
bloße Schlächter agieren lässt. Hierbei investiert er natürlich
viel Zeit auf die Beziehung, die Frank und Roxi zueinander aufbauen.
Obwohl sie auf relativ direkte Weise nach Komplimenten fischt und ihm
nicht abgeneigt zu sein scheint, verläuft diese ohne sexuelle
Hintergedanken und beruht vielmehr auf einer Art
Seelenverwandtschaft, welche sich zum Beispiel in den gemeinsamen
Hasspredigten sehr schön zeigt. Die Charaktere (und der Filmemacher)
spielen bewusst mit dem „Bonnie und Clyde“ Image, welches dieser
Konstellation anhaftet und diese Seitenhiebe sorgen für die nötige
Selbstironie. Dennoch sieht man an ihren gemeinsamen
Auswanderungsplänen und dem späteren Verlauf der Handlung, dass
sehr viel Ernsthaftigkeit und unterschwellige Emotionalität in
dieser Bindung liegt.
Frank und Roxi sind
verzweifelte Charaktere zwischen Resignation und Revolte. Die
Darstellung der Gesellschaft, gegen die sie so offen rebellieren, ist
hierbei fast schon wichtiger, als die Charaktere selbst. Wie oben
beschrieben, strotzt „God Bless America“ vor extrem bissiger und
geradezu hasserfüllter Gesellschafts- und Medienkritik, welche auch
sehr unverblümt übermittelt wird. Hierbei kann einem mitunter schon
etwas mulmig werden, da sich sämtliche Anspielungen trotz einer
gewissen Überdrehtheit allesamt im „zu wahr um lustig zu sein“
Spektrum bewegen. Das sich durch den gesamten Film ziehende Motiv
eines scheinbar behinderten Mannes, der sich bei einer Castingshow
blamiert und von da an in allen Formaten durch den Kakao gezogen
wird, nur um dann später zum Star erkoren zu werden, ist zum
Beispiel schmerzhaft wirklich, so überspitzt es auch auf den ersten
Blick wirken mag. Selbiges gilt für die polemische Berichterstattung
und die nahezu verachtenswerte Dummheit der dargestellten Teenager
und Reality Show Teilnehmer. Ebenso scheint Goldthwaith keinerlei
Sympathie für die amerikanische Gesellschaft übrig zu haben. Frank
und Roxi sind umgeben von konsumgesteuerten, nicht zur Reflexion
fähigen Menschen, welche allesamt alles hinnehmen, was die Medien
ihnen vorsetzen und als absolute Egomanen auftreten. Diese
Herangehensweise sorgt für eine sehr kurzweilige Atmosphäre und ein
hohes Maß an Unterhaltung, ist jedoch mit einem sehr bitteren
Nachgeschmack versehen. Vor allem die langen Monologe Franks stellen
sich hierbei als besonders aussagekräftig heraus. Leute, die ebenso
zynisch und „negativ“ wie der Regisseur eingestellt sind, dürften
wohl die gesamte Laufzeit über bejahend mit dem Kopf nicken und
zustimmen.
Doch nicht nur in seiner
Mediendarstellung ist „God Bless America“ kompromisslos. Der Film
gibt sich stellenweise sehr anarchischen und gar nicht mal
ungraphischen Gewaltorgien hin und vermag es, diese sehr kurzweilig
zu inszenieren. Ebenso wie bei den medialen und gesellschaftlichen
Aspekten, können diese ungemein drastisch und grotesk wirken, wobei
sie aber dennoch nicht wirklich unrealistisch im klassischen Sinne
sind. Es wird zum Beispiel ein Baby mit einer Pumpgun erschossen,
einer Frau den Bauch aufgeschlitzt und mannigfach blutig abgeknallt.
Obwohl diese Szenen nicht so sehr im Vordergrund stehen, wie manch
einer es sich eventuell erhofft hat, verleihen sie dem Geschehen doch
einiges an Würze. Positiv anzumerken ist, dass „God Bless America“
weitestgehend frei von Pseudomoral und Kitsch ist. Am Ende täuscht
der Film dergleichen an um sie dann selbst im Keim zu ersticken –
ein gelungener Schachzug! „God Bless America“ ist ziemlich
ehrlich und scheut sich auch nicht davor, in eher fragwürdige
Territorien abzudriften, ohne sich zu viel auf seine eigene
Anstößigkeit einzubilden. Und die Hommage an „Taxi Driver“ ist
wahrlich grandios!
Fazit: Radikaler,
abgedrehter und böser Film, der eine ungewohnt schonungslose
Auffassung vertritt und diese gekonnt in Szene setzt. Die satirischen
Aspekte sind sehr direkt und brutal, was sich aber direkt als die
richtige Entscheidung entpuppt. Neben dem Gemetzel und der
Verbitterung bietet „God Bless America“ aber auch eine sehr
gelungene Charakterentwicklung und einen interessanten
Handlungsaufbau, was zu einem rundum gelungenen Resultat führt.
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