Eine
Gruppe von Randexistenzen zieht durch die Dörfer Serbiens, um dort
transgressive Pornoshows aufzuführen. Neben diversen Problemen mit
den jeweiligen Behörden und den Anwohnern, werden die Mitglieder der
Gruppe zusätzlich noch von eigenen Dämonen und Geldsorgen geplagt.
Als ihre Lage ausweglos erscheint, fangen sie an, für Geld
Snuffvideos zu drehen. Doch nicht alle Darsteller halten dem immensen
Druck stand.
Wenn
man „verstörender Film aus Serbien“ hört, wird man wohl
unweigerlich an den heftigst umstrittenen „A Serbian Film“
denken. Zu einer Zeit, als der besagte Film in Insider- und
Mainstreamkreisen zugleich als das wohl größte filmische Verbrechen
der Menschheitsgeschichte gehandelt und sowohl heftigst kritisiert
als auch himmelschreiend gelobt wurde, kam auch “Zivot i Smrt Porno
Bande“ aka
„Leben und Tod einer Pornobande“
von Mladen Djordevic auf den Markt.
Auf den ersten Blick scheinen die beiden Beiträge relativ viel
gemeinsam zu haben: das (für westliche Augen) eher ungewohnte
Produktionsland, den starken Bezug zu Sex und Pornografie und eine
sehr direkte und aggressive Herangehensweise. Insofern ist es leicht
nachzuvollziehen, dass „Leben und Tod einer Pornobande“ zur Zeit
des „A Serbian Film“-Hypes stellenweise als reiner
Trittbrettfahrer angesehen und von vielen Leuten aufgrund der
augenscheinlich besseren und „kontroverseren“ Alternative nicht
beachtet wurde. Wer die Filme kennt, weiß jedoch, dass sie von Grund
auf verschieden und an sich nur bedingt miteinander vergleichbar
sind. „Leben und Tod einer Pornobande“ ist offensiv, teilweise
geradezu pervers und an Negativität kaum zu überbieten, dennoch ist
er sicherlich nicht eine bloße Aneinanderreihung von Schock- und
Sexszenen, sondern ein durchdachter und beeindruckender Film.
Der
Regisseur Marko findet sich nach dem Abschluss seines Filmstudiums in
der Rolle des gescheiterten Künstlers wieder. Die Werbespots, die er
für das Fernsehen dreht, bringen ihm weder Geld noch Befriedigung
und für sein Filmprojekt lassen sich keine Geldgeber finden. Er
lernt den zwielichtigen Pornoproduzenten Cane kennen, für den er
einige Pornofilme dreht. Jedoch überwirft er sich mit ihm und
benutzt das Geld, das Cane ihm zur Verfügung stellt, um ein eigenes
Projekt zu realisieren. Er brennt Canes Studio nieder und versammelt
eine Gruppe von (mehr oder weniger) Aussätzigen um sich herum, mit
denen er in einem VW Bus durch Serbien fährt, um dort ein sehr
gewagtes und explizites Pornotheater aufzuführen. Nach einer Show
wird Marko von dem Deutschen Franz angesprochen, der sein Geld mit
dem Verkauf von Snuffvideos verdient. Er bietet Marko an, Tötungen
von Leuten zu filmen, die ohnehin sterben wollen. Dieser lehnt jedoch
ab und zieht mit seiner Gruppe weiter. Nachdem sie von einer Gruppe
von Bauern vergewaltigt und ausgeraubt werden, kommen sie jedoch auf
Franz' Angebot zurück. Die Pornobande filmt Selbstmorde und legt
auch aktiv Hand an. Doch nach und nach scheiden die Mitglieder einer
nach dem anderen aus.
„Leben
und Tod einer Pornobande“ präsentiert sich zunächst als
kurzweiliges und schnell erzähltes Roadmovie, das von skurrilen
Charakteren und Situationen bestimmt wird. Nachdem der Protagonist
Marko quasi im Schnelldurchlauf seine Lebenssituation und seine
Ambitionen vorgestellt hat, widmet sich der Film voll und ganz dem
Treiben der Gruppe. Die Interaktionen zwischen den verschrobenen
Charakteren erinnern etwas an Filme wie „Ex-Drummer“,
„Trainspotting“ oder „Football Factory“, gestalten sich
jedoch – natürlich – völlig anders. Interessant sind vor allem
die beiden HIV-positiven Homosexuellen, der leicht zurückgebliebene
Hauptdarsteller und das Junkie-Pärchen. Obwohl aus diesen
Konstellationen mitunter sehr viel Unterhaltsamkeit entsteht,
verkommt „Leben und Tod einer Pornobande“ nie zur Farce. Anfangs
ist die Handlung noch etwas grotesk, wird dann aber durch das Drehen
der Snufffilme sehr schnell viel dunkler und gewalttätiger. Dennoch
ist Djordevics Film – zumindest für den Großteil der Zuschauer –
von Anfang an „krank“.
Dies
rührt vor allem daher, dass der Grad an sexuellen und gewalttätigen
Darstellungen relativ hoch ist. Natürlich handelt es sich bei „Leben
und Tod einer Pornobande“ weder um einen Porno, noch um einen
Splatterfilm, doch sowohl Gewalt, als auch „Perversion“ sind
Eckpfeiler des Werks (mehrere Filmfreunde brachten übrigens ihre
Verwunderung darüber, dass der Film unzensiert mit FSK Freigabe
erschienen ist, lautstark zum Ausdruck). Oftmals streifen die
Darstellungen von sexuellen Akten durchaus das Gebiet der
Pornografie. So wird zum Beispiel relativ explizit Fellatio mit einem
Pferd gezeigt und hier und da sind bei den Sexszenen
Hardcore-Einstellungen auszumachen. Dies entpuppt sich als weise
Entscheidung des Regisseurs, da durch den direkten, unästhetisierten
und -erotisierten Gebrauch solcher Szenen eine äußerst harte und
brutale Wirklichkeitsnähe erschaffen wird, die dem Film
außerordentlich gut zu Gesicht steht. Selbiges gilt für die
Darstellungen von Gewalt. Die Hinrichtung mit der Kettensäge ist
beispielsweise (obwohl allzu „splattrige“ Einstellungen fehlen)
sehr kraftvoll, was aber bei den anderen Snufffilmen noch mehr der
Fall ist. Die „Opfer“ (die allesamt freiwillig mitmachen)
erzählen ihre Lebensgeschichte vor der Kamera und sterben danach
durch Eigen- oder Fremdverschulden. Dies macht die Gewalt um einiges
menschlicher und bodenständiger, als es in einem reinen „Gewaltfilm“
der Fall wäre. Auch hier entpuppt sich die Entscheidung als die
einzig richtige.
Markos
Pornoshow ist ein anarchischer Befreiungsschlag inmitten einer
traurigen, kaputten Gesellschaft. Diese Aura, welche man wohl salopp
mit der Worthülse „nihilistisch“ beschreiben könnte, ist
allgegenwärtig und das geheime Erfolgsrezept des Films. Die
Gesellschaft in „Leben und Tod einer Pornobande“ beruht auf
Korruption und Geldgier und die Zustände sind nahezu
menschenunwürdig. Der Krieg wird immer wieder thematisiert, die
Polizei ist gewalttätig und die Bauern in den Vororten stellen sich
als vergewaltigender Lynchmob heraus. Das Serbien, das Djordevic
aufzeigt ist ein verseuchtes Land ohne Aufstiegsmöglichkeiten und
Wärme, aus dem es kein Entrinnen gibt. So überrascht es auch nicht,
dass keiner der Charaktere irgendwas aus dieser „Odyssee“
gewinnt. Der Film fängt im Sumpf an und endet am Anfangspunkt –
alles dazwischen entpuppt sich als irrelevant. Diese Negativität ist
wohl der beachtlichste Aspekt des Films.
Fazit:
„Leben und Tod einer Pornobande“ ist einer der einfallsreichsten,
kompromisslosesten und besten radikalen Nischenfilme der letzten
Jahre. Die Handlung und die Charaktere sind vielschichtig, die
Szenarien wirkungsstark und die Atmosphäre so existenziell und
bedrückend, dass der Film niemanden unberührt lassen sollte. Eine
starke Leistung von Regisseur Djordevic und ein wahrer Geheimtipp!
Zur
DVD: BILDSTÖRUNG bietet den Film auf Blu-Ray und auf Doppel DVD in
der Drop-Out Edition mit viel Bonusmaterial und Schuber an. Das Bild
der Blu Ray ist hervorragend, selbiges gilt für das Bonusmaterial.
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