Die Hinrichtung von
(vermeintlichen) Kriminellen, die verschiedenen Hinrichtungsarten und
das dazugehörige Procedere sind Themen, welche immer wieder
auftauchen wenn man sich mit der Geschichte Deutschlands (vor allem
im Mittelalter) befasst. Das Buch „Henker, Blutvogt, Carnifex –
Der Scharfrichter in der deutschen Kulturgeschichte“, welches von
Albrecht Keller im Jahre 1921 (!) verfasst und 2007 vom Kirchschlager
Verlag neu aufgelegt wurde, nimmt sich diesem kulturhistorischen
Phänomen an und analysiert es in all seinen Facetten. Keller liefert
hierbei nicht nur einen fundierten, glaubhaften und sachlichen
Bericht, der sich über mehrere Epochen erstreckt, ab, sondern
reichert das Werk auch noch mit mehreren Quellen an.
Im ersten Teil des Buches
wird auf die Entwicklung des Strafvollzuges zu der Zeit, als es das
Scharfrichteramt im klassischen Sinne noch nicht gab, eingegangen.
Hierbei geht Keller zunächst diverse Bräuche zur Zeit der Germanen
ein (z.B. das Sippenrecht und die Blutrache) und arbeitet sich dann
weiter zu den Rechtssprechungen späterer Tage. Interessant sind
hierbei ganz besonders die kuriosen, aus heutiger Sicht fast schon
barbarischen Auffassungen von „Gerechtigkeit“, welche damals Gang
und Gäbe waren. Dass Keller den Bogen zu solch frühen Epochen
spannt, ist ein Beweis für die unbeachtete Vielfalt der Thematik und
das Können des Autors.
Der zweite Teil des Buches
nimmt sich sämtlichen Facetten des Scharfrichteramtes an und ist
der abwechslungsreichere und detailliertere von beiden. Durch die
akribische Genauigkeit, mit der der Autor die Stellung des
Scharfrichters beschreibt, ergibt sich ein sehr rundes Bild dieser
vergessenen (?) historischen Figur und vor allem von den
unterschiedlichen Arten, in denen er über den Lauf der Zeit
wahrgenommen wurde. Gerade die Furcht und der Ekel, den die
„ehrenhaften Bürger“ vor dem Scharfrichter empfanden, wird sehr
lebhaft beschrieben. Besonders lang und interessant ist der
Abschnitt, der sich mit den Arten der Hinrichtung und Folterung
befasst und somit das „Handwerk“ des Henkers vorstellt. Keller
legt hierbei großen Wert auf die Beschreibung der einzelnen
Todesarten und die „Fähigkeiten“, die vonnöten waren, um sie
auszuführen. Besonders lesenswert sind die Ausführungen über die
Schwerthinrichtungen und die Foltermethoden, die der jeweilige Henker
beherrschen musste. Ausgehend davon ergeben sich weitere wissenswerte
Fakten rund um den Berufsstand des Scharfrichters im Wandel der Zeit,
zum Beispiel was seine Bezahlung und seine sich ständig ändernde
gesellschaftliche Stellung angeht. Hierdurch wirkt „Henker,
Blutvogt, Carnifex“ viel flüssiger und übergreifender, als es bei
statischeren Werken oftmals der Fall ist.
Besonders positiv
hervorzuheben sind die zahlreichen Anekdoten, Fallbeispiele und
Originalzitate, die Keller in seinen Text mit einbaut. Diese
verleihen „Henker, Blutvogt, Carnifex“ den nötigen
Unterhaltungswert und erhöhen zugleich den ohnehin schon sehr hohen
historischen Anspruch. Auch die zahlreichen Abbildungen sind sehr
schön anzusehen und stellen eine enorme Aufwertung dar.
Fazit: Sehr informatives
und ausführliches Buch, das das Thema Hinrichtung von allen Seiten
beleuchtet und dem interessierten Leser Bereiche des Komplexes
aufzeigt, welche oftmals verdrängt bzw. nicht wahrgenommen werden.
Trotz des enormen Tiefganges ist „Henker, Blutvogt, Carnifex“
sehr abwechslungsreich und spricht verschiedene Epochen und Facetten
an, ohne die Hauptthematik aus den Augen zu verlieren. Wer sich
ernsthaft mit der Geschichte des Strafvollzuges in Deutschland
auseinandersetzen möchte, wird in „Henker, Blutvogt, Carnifex –
Der Scharfrichter in der deutschen Kulturgeschichte“ alles finden,
was er sich nur wünschen könnte.
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