Als ein Geschäftsmann in
seine Limousine einsteigen möchte, wird sein Kopf von einer Kugel
zerfetzt. Der namenlose Attentäter wird von den Bodyguards verfolgt,
kann jedoch flüchten. Nachdem er entkommen ist, besucht er eine
Frau, mit der er Geschlechtsverkehr hat. Aus dem Sperma, das an ihrem
Oberschenkel klebt und dem Rauch einer Zigarette, die er auf die
Straße wirft, entsteht eine mystische Räuchermischung, die ein
großes, gelbes Monstrum kreiert. Dieses findet sich in der Wohnung
des Attentäters ein und weicht ihm nicht von der Seite. Der Prosopopus
ist jedoch weitaus mehr, als nur ein lästiger Mitbewohner, sondern
konfrontiert den Namenlosen auch mit den Dämonen vergangener Tage.
„Prosopopus“ ist ein
beklemmender und düsterer Trip in Comicbuchform, welcher vom
französischen Zeichner Nicolas de Crécy ersonnen wurde. Dieser
nennt unter anderem solche Künstler wie Otto Dix und David Lynch als
starke Einflüsse und nach der Lektüre von „Prosopopus“ dürfte
dies niemanden mehr verwundern. Das Buch ist exzentrisch, stilsicher,
speziell und beschreitet Wege, welche seltenst oder nie beschritten
werden, um seine Wirkung zu erzielen.
„Prosopopus“ ist auch
viele Arten beachtlich. Zunächst einmal wird die Geschichte gänzlich
ohne Dialoge erzählt. Im gesamten Comic wird nicht ein Wort
gesprochen. Dennoch schafft de Crécy es, den roten Faden konsequent
zu spinnen und wortlos Spannung zu erzeugen und die Akteure zu
charakterisieren. Gerade der Protagonist ist – trotz der
Wortlosigkeit – ein vielschichtiger Charakter, dessen Sehnsüchte
und moralische Zwickmühlen auf intensive und persönliche Art zum
Leben erweckt werden. Der Stil wird streng eingehalten, die Handlung
entwickelt sich kontinuierlich weiter und viele Fragen werden nach
und nach beantwortet. Hierbei ist die Tatsache, dass der Leser sich
quasi selbst einiges erschließen muss, eine, die dem Leseerlebnis
eine gewisse Würze verleiht und sehr gut funktioniert.
Eine düstere, beklemmende
Stimmung ist in „Prosopopus“ allgegenwärtig. Die Verlassenheit und
Gewissensbisse des Hauptcharakters liegen in einer erdrückenden
Schwere über dem oftmals brutalen Geschehen. An sich hat de Crécy
einen Film Noir gezeichnet, der mit allen Tugenden des Genres
aufwartet. Die Figur des Prosopopus stellt jedoch das genaue
ästhetische Gegenteil dieser Optik dar. Er ist groß, rund, gelb und
wirkt wie eine leicht zurückgebliebene Figur aus einer Cartoonserie
für Kinder. Diese Widersprüchlichkeit ist jedoch auf eine gewisse
Art das Geheimrezept des Comics. Der Prosopopus ist die perfekte
Metapher für das, an was er den Protagonisten erinnern soll und
drängt sich offensiv ins Auge des Lesers.
Der Zeichenstil von de
Crécy ist grandios. Stellenweise könnte man im Ansatz an einige der
früheren Werke von Spawn-Erfinder Todd MacFarlane erinnert werden,
jedoch sind de Crécys Zeichnungen ausdrucksstärker und verspielter.
Die Linien sind weich und hart zugleich, was ein interessantes
Wechselspiel zwischen bodenständiger Genauigkeit und fantastischer
Verschwommenheit nach sich zieht, welches ideal für das Film Noir
Flair ist. Besonders beeindruckend ist die Bildfolge, welche zwischen
einer Sexszene und der Obduktion einer Leiche hin- und herwechselt.
Auch in actionlastigen und emotionalen Momenten hat de Crécy genau
den richtigen Riecher und erschafft Bilder voller Tiefe, die schön
und abstoßend zugleich sind.
Fazit: „Prosepus“ ist
ein packendes Comic, welches durch wundervolle Zeichnungen und
neuartige Einfälle bestechen kann. Die Atmosphäre ist dicht und
düster, die Charaktere werden gekonnt in Szene gesetzt und die
Handlung ist tiefgründig und interessant. Nicolas de Crécy kann mit
„Prosopopus“ auf sämtlichen Gebieten überzeugen und präsentiert
ein Werk, welches Kunst-, Film Noir- und Comicfreunden nur wärmstens
ans Herz gelegt werden kann!
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