Auch wenn der Name Kenneth
Grant in den Ohren derer, die sich nicht allzu sehr mit Okkultismus
beschäftigen, vielleicht nicht allzu bekannt klingen mag, sind seine
Errungenschaften in diesem Bereich sehr zahlreich. Der britische
Okkultist, welcher übrigens unter Seinesgleichen relativ stark
polarisiert, war nicht nur ein Schüler Aleister Croleys, sondern
auch ein persönlicher Freund von Austin Osman Spare und Begründer
des Typhonian O.T.O. (Ordo Templi Orientis). Darüber hinaus war
Grant auch als Autor tätig und verfasste unter anderem die drei
typhonischen Trilogien, zu denen auch „Die Nachtseite von Eden“
und „Schattenkulte“ gehören. In diesen werden verschiedene
okkulte Themen mit starker Gewichtung auf Thelema und den Lehren
Crowleys behandelt, wobei beide Bücher jeweils andere Schwerpunkte
aufweisen.
„Schattenkulte“,
welches übrigens das abschließende dritte Buch der ersten
typhonischen Trilogie ist, befasst sich mit den verschiedenen
Ausprägungen des linkshändigen Pfades und stellt eine Menge
verschiedener Ansätze vor, welche oftmals aus gänzlich anderen
Kulturkreisen und Zeitaltern stammen. So geht Grant neben der in dem
Bereich quasi omnipräsenten ägyptischen Mythologie („Der
drakonische Kult des alten Khem“) am Anfang des Buches auch auf
frühe afrikanische Systeme ein, welche laut ihm zu den frühsten
Ausprägungen dieser Strömung gehören. Eines der interessantesten
Abschnitte von „Schattenkulte“ widmet sich dem Kult der
Feuerschlange Kundalini, welcher im Bezug zum indischen Tantra
gesetzt wird. Vor allem hier offenbart sich der scharfe, analytische
Anspruch, welche Grants Werke erheben und der als ein Resultat seiner
jahrelangen Erfahrungen und Recherchen zu sehen ist.
So ist es nicht
verwunderlich, dass der Abschnitt über Aleister Crowley und seine
Lehren, welcher in zwei Kapitel namens „Der Kult des Tieres“
aufgeteilt ist, zu den bemerkenswertesten und wertvollsten gehört,
die es gibt. Da der Autor, wie oben erwähnt selbst ein Schüler
Crowleys, quasi an der Quelle saß, sind seine Bemerkungen sehr
tiefgründig und durchdacht, gerade was das Kernprinzip des „wahren
Willens“ angeht. Gerade hier zeigt sich, dass die zugrundeliegenden
Prinzipien für „Eingeweihte“ um einiges komplexer sind, als es
oberflächlichere und generalisierende Ansätze oftmals zu sein
scheinen. Es muss auch erwähnt werden, dass Grant kein
bedingungsloser Crowley-Huldiger ist, sondern dass er den bekannten
Magier in seinen späteren thelemitischen Projekten sogar bis zu
einem gewissen Grad ausgeklammert hat, worin (unter anderem) die
weiter oben beschriebenen Zerwürfnisse mit manchen Okkultisten
begründet sind. Diesen kritischen Aspekt behält er in verstärkter
Form im Kapitel „Frater Achad und der Kult von Ma-Ion“ bei.
Jedoch verschafft „Schattenkulte“ zunächst einmal einen
Überblick über die einzelnen Wirkungsmechanismen - die subjektiven
Wertungen werden hinten angestellt. Besondere Erwähnung soll an
dieser Stelle noch das überaus gelungene finale Kapitel über Austin
Osman finden.
Im Vergleich hierzu
gestaltet sich „Die Nachtseite von Eden“, das den Anfang der
zweiten Trilogie bildet, um einiges spezifischer, was die Thematik
angeht. Das Buch widmet sich quasi ausschließlich der Erforschung
der Qliphoth, dem kabbalistischen Baum des Todes. Grant hat sich mit
seiner New Isis Lodge jahrelang mit diesem Konzept auseinandergesetzt
und demzufolge ist „Die Nachtseite von Eden“ extrem packend und
facettenreich ausgefallen. Ebenso wie „Schattenkulte“ sind sehr
viele Bilder und Grafiken enthalten, welche dem Leser dabei helfen,
die Ideen griffiger zu machen.
Die erste Hälfte des
zweigeteilten Buches stellt eine Art Einführung in die qliphothische
Welt dar, welche natürlich in reger Interaktion mit dem
linkshändigen Pfad, der Sexualmagie und der Meditation steht. Die
einzelnen Kraftzonen der Qliphoth, der Eingang in seine Sphären und
auch die Gefahren werden haarklein beschrieben und deren
kabbalistische und magische Facetten deutlich gemacht. Hier ist „Die
Nachtseite von Eden“ durchaus mit „Schattenkulte“ vergleichbar,
was die Herangehensweise angeht. Der zweite Teil heißt „Die Tunnel
Seth's“ und befasst sich, wie der Name schon verrät, mit den
einzelnen Gängen der Qliphoth, ihren Hütern und der Art, in der man
Zutritt zu ihnen erlangen kann. Natürlich wird hier auf die
jeweiligen Eigenschaften dieser Tunnel und die damit einhergehenden
Bewusstseinszustände und gefährlichen Aspekte eingegangen.
Sowohl „Schattenkulte“
als auch „Die Nachtseite von Eden“ stellen intelligente,
ausführliche und herausragende Werke über den Okkultismus dar,
welche zwar sicherlich alles andere als einsteigerfreundlich, dafür
aber umso lohnenswerter sind. Kenneth Grants Darlegungen und Ideen
sind in höchstem Maße faszinierend und auf intensive Art
beschrieben. Absolut essentiell!
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