Als zwei junge Frauen – Mutter und
Tochter – in ihren Wagen einsteigen, füllt er sich mit Gas und sie
werden ohnmächtig. Kurz darauf wachen sie auf und sind an zwei
Tische gefesselt. Drei maskierte Männer kommen herein und
verabreichen ihnen zunächst hochwirksames LSD und fangen dann an,
sie langsam und systematisch zu zerstückeln und dies auf Video
festzuhalten.
In der Diskussion über außergewöhnlich
brutale Filme gibt es einige Titel, welche nicht wegzudenken sind. Zu
ihnen gehören neben solchen Klassikern wie Passolinis „Saló“
und „Cannibal Holocaust“ solche Filme wie die „August
Underground“ Reihe von Fred Vogel, die Vomit Gore Filme von Lucifer
Valentine und natürlich der extrem umstrittene „A Serbian Film“.
Eine weitere Reihe von Filmen ist auch seit jeher unumstößlicher
Bestandteil dieses Diskurses: die „Guinea Pig“ (was in diesem
Fall eher als „Versuchskaninchen“ und nicht primär als
„Meerschwein“ verstanden werden sollte) Filme aus Japan. Die
ersten beiden Einträge „Devil's Experiment“ und „Flowers of
Flesh and Blood“ zeigen Frauen, welche über die gesamte
(überschaubare) Filmlänge hindurch von einem oder mehreren Männern
auf vielerlei Art misshandelt, zerstückelt und schlussendlich
gefoltert werden. Der Clou ist hierbei, dass die Filme nicht nur
keinerlei Handlung bieten, sondern auch so authentisch wirken und so
sehr auf Realität getrimmt sind, dass viele den japanischen
FX-Künstlern auf den Leim gingen und dachten, das Geschehen sei echt
(angeblich soll der Schauspieler Charlie Sheen „Flowers of Flesh
and Blood“ beim FBI als Snuff gemeldet haben). Dass diese Filme
Beschlagnahmungen und vernichtende Kritik erfahren haben, versteht
sich genauso von selbst, wie der Kultstatus, den sie in gewissen
Kreisen besitzen. Als Steven Biro – Inhaber des Labels „Unearthed
Films“ - ankündigte, dass er ein Remake mit dem Titel „American
Guinea Pig: Bouquet of Guts and Gore“ herausbringen wolle, ging
nicht nur ein Raunen durch die Fanmenge, sondern es wurde auch von
vornherein Kritik geäußert. Schließlich wird der doch etwas
derbere Umgang mit Frauen, für den die Originale so berüchtigt
sind, als etwas wahrgenommen, was auf diese Art ein ausschließlich
japanisches Kulturgut ist (ob dies der Richtigkeit entspricht, sei
einmal dahingestellt) und dass viele Remakes von alten „Video
Nasties“ wenig zufriedenstellend bis beleidigend waren, ist auch
mehr Faktum als Meinung. Nun gilt es also herauszufinden, ob Biro mit
„American Guinea Pig: Bouquet of Guts and Gore“ diesen hohen
Maßstäben gerecht wird.
Was die Handlung angeht, bleibt Biro
dem Original treu und liefert eigentlich nicht viel mehr als eine
Ausgangssituation. Die drei maskierten Männer treten schon in den
ersten Minuten des Filmes auf und begutachten ihre weiblichen Opfer.
Sie sprechen von den Wünschen der Produzenten, der Herangehensweise
und dem, was den Frauen bevorsteht. Die Dialogfetzen, eigentlich
nicht mehr als eine Ansammlung von Anstachelungen, Aufforderungen
nach mehr Gewalt und zynischer Kommentare über die Opfer, erweisen
sich übrigens als sehr wirksamer und boshafter Aspekt, da hier
unfreiwillige Komik völlig ausbleibt und die Täter stattdessen
wirklich gestört und fanatisch erscheinen. Die Taten selbst werden
von einem Kahlkopf in Ziegenmaske begangen, was natürlich als
Seitenhieb in Richtung Satanismus und Ablehnung des Christentums
verstanden werden soll, was auch im späteren Verlauf noch direkt
thematisiert wird. Auch dies ist – nicht zuletzt aufgrund der
Tatsache, dass Biro dieser etwas altbackenen Symbolik nicht zu viel
Platz schenkt – eine gelungene Beigabe. Die gewalttätige
Sterilität der ersten beiden Originale („Bouquet of Guts and Gore“
ist jedoch „Flowers of Flesh and Blood“ am nächsten) wurde
gekonnt eingefangen und noch ausgebaut. Ein besonderer Kunstgriff von
„American Guinea Pig“ ist die Kameraarbeit. Der Film wurde
nämlich auf VHS gedreht und enthält zudem noch Zwischenschnitte auf
8mm Material, dessen Grobkörnigkeit quasi wie die sprichwörtliche
Faust auf's Auge zum Inhalt passt.
„American Guinea Pig – Bouquet of
Gutes and Gore“ besteht ausschließlich aus Grausamkeiten und
sadistischer Gewalt. Auschließlich. Die Frage, ob Biro den
Vorbildern hier gerecht wird, muss ganz klar bejaht werden. Eine
solch fokussierte und blanke Inszenierung von Folter ist für den
westlichen Kulturkreis und die gegenwärtige „Szene“ fast schon
einzigartig, denn selten hat ein derart veranlagter Film so wenig
Wert darauf gelegt, seine Motive zu kaschieren. Es dauert keine
zwanzig Minuten bis Hand an die Frauen gelegt wird und ab dann wird
unaufhörlich und mit ultimativ roher Härte weitergemacht.
Minutenlang werden genussvoll Extremitäten abgeschnitten und dabei
Knochen durchtrennt, es wird gehäutet, in Gedärmen herumgewühlt
und der Brustkorb eines Opfers wird mit einer Heckenschere
aufgeschnitten. In einer besonders spektakulären Szene, bekommt eine
der Frauen den Kiefer zur Hälfte abgetrennt, woraufhin der maskierte
Mörder genüsslich in ihrem Rachen herum puhlt. Verschnaufpausen
gibt es keine, durchgehend werden wackelige Nahaufnahmen der Taten
gezeigt, während eine unterschwellige Mischung aus Noise und Drone
im Hintergrund läuft.
Selbstverständlich beruht der Erfolg
eines solchen Konzeptes primär auf einer Sache: den Effekten. Doch
auch hier gibt es keinen Grund zur Sorge, denn Special Effects
Creator Marcus Koch hat wirklich ganze Arbeit geleistet und so wird
der Zuschauer mit überaus plastischen und realistischen Goreeffekten
verwöhnt, welche absolut keine Wünsche offen lassen. Insbesondere
in den Szenen, in denen den Opfern die Gedärme entnommen und ihre
von Extremitäten befreiten Torsi gezeigt werden, sind die Effekte
extrem gelungen und eine Wohltat für jeden Enthusiasten. Ausfälle
gibt es hier absolut keine – Handwerk und Grundidee sind jeweils
perfekt ausgearbeitet und bilden eine ebenso perfekte Symbiose.
Fazit: „American Guinea Pig –
Bouquet of Guts and Gore“ ist quasi ein perfekter Gorefilm und in
allen Bereichen ein Volltreffer. Viele werden sich sicherlich
angewidert abwenden (bei einer Vorführung, bei der der Verfasser
zugegen war, verließen mehrere Leute den Kinosaal), wiederum andere
werden einen polierten Mainstream-Abklatsch erwarten und sich
eventuell sogar gelangweilt fühlen und wiederum andere werden
sicherlich dem Hobby frönen, welches in letzter Zeit so beliebt
geworden ist: virtuell herumzuheulen. Die „Guinea Pig“ Filme
waren immer schon speziell und in ihrer Herangehensweise nur für
Leute mit einem erleseneren Geschmack von Interesse. Dies ist auch
bei Biros Remake der Fall. Jene Leute, welche den triebhaften und
gewaltverherrlichenden Ton der Originale mögen. werden hier einen
perfekten Film vorfinden, aber eben doch nur die. Doch ehrlich gesagt
hätte eh niemand erwartet, dass eine Wiederbelebung der „Guinea
Pig“ - Idee nicht polarisieren würde.
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