Freitag, 20. Februar 2015

REVIEW: AMERICAN GUINEA PIG (Stephen Biro, 2014)




Als zwei junge Frauen – Mutter und Tochter – in ihren Wagen einsteigen, füllt er sich mit Gas und sie werden ohnmächtig. Kurz darauf wachen sie auf und sind an zwei Tische gefesselt. Drei maskierte Männer kommen herein und verabreichen ihnen zunächst hochwirksames LSD und fangen dann an, sie langsam und systematisch zu zerstückeln und dies auf Video festzuhalten.



In der Diskussion über außergewöhnlich brutale Filme gibt es einige Titel, welche nicht wegzudenken sind. Zu ihnen gehören neben solchen Klassikern wie Passolinis „Saló“ und „Cannibal Holocaust“ solche Filme wie die „August Underground“ Reihe von Fred Vogel, die Vomit Gore Filme von Lucifer Valentine und natürlich der extrem umstrittene „A Serbian Film“. Eine weitere Reihe von Filmen ist auch seit jeher unumstößlicher Bestandteil dieses Diskurses: die „Guinea Pig“ (was in diesem Fall eher als „Versuchskaninchen“ und nicht primär als „Meerschwein“ verstanden werden sollte) Filme aus Japan. Die ersten beiden Einträge „Devil's Experiment“ und „Flowers of Flesh and Blood“ zeigen Frauen, welche über die gesamte (überschaubare) Filmlänge hindurch von einem oder mehreren Männern auf vielerlei Art misshandelt, zerstückelt und schlussendlich gefoltert werden. Der Clou ist hierbei, dass die Filme nicht nur keinerlei Handlung bieten, sondern auch so authentisch wirken und so sehr auf Realität getrimmt sind, dass viele den japanischen FX-Künstlern auf den Leim gingen und dachten, das Geschehen sei echt (angeblich soll der Schauspieler Charlie Sheen „Flowers of Flesh and Blood“ beim FBI als Snuff gemeldet haben). Dass diese Filme Beschlagnahmungen und vernichtende Kritik erfahren haben, versteht sich genauso von selbst, wie der Kultstatus, den sie in gewissen Kreisen besitzen. Als Steven Biro – Inhaber des Labels „Unearthed Films“ - ankündigte, dass er ein Remake mit dem Titel „American Guinea Pig: Bouquet of Guts and Gore“ herausbringen wolle, ging nicht nur ein Raunen durch die Fanmenge, sondern es wurde auch von vornherein Kritik geäußert. Schließlich wird der doch etwas derbere Umgang mit Frauen, für den die Originale so berüchtigt sind, als etwas wahrgenommen, was auf diese Art ein ausschließlich japanisches Kulturgut ist (ob dies der Richtigkeit entspricht, sei einmal dahingestellt) und dass viele Remakes von alten „Video Nasties“ wenig zufriedenstellend bis beleidigend waren, ist auch mehr Faktum als Meinung. Nun gilt es also herauszufinden, ob Biro mit „American Guinea Pig: Bouquet of Guts and Gore“ diesen hohen Maßstäben gerecht wird.




Was die Handlung angeht, bleibt Biro dem Original treu und liefert eigentlich nicht viel mehr als eine Ausgangssituation. Die drei maskierten Männer treten schon in den ersten Minuten des Filmes auf und begutachten ihre weiblichen Opfer. Sie sprechen von den Wünschen der Produzenten, der Herangehensweise und dem, was den Frauen bevorsteht. Die Dialogfetzen, eigentlich nicht mehr als eine Ansammlung von Anstachelungen, Aufforderungen nach mehr Gewalt und zynischer Kommentare über die Opfer, erweisen sich übrigens als sehr wirksamer und boshafter Aspekt, da hier unfreiwillige Komik völlig ausbleibt und die Täter stattdessen wirklich gestört und fanatisch erscheinen. Die Taten selbst werden von einem Kahlkopf in Ziegenmaske begangen, was natürlich als Seitenhieb in Richtung Satanismus und Ablehnung des Christentums verstanden werden soll, was auch im späteren Verlauf noch direkt thematisiert wird. Auch dies ist – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Biro dieser etwas altbackenen Symbolik nicht zu viel Platz schenkt – eine gelungene Beigabe. Die gewalttätige Sterilität der ersten beiden Originale („Bouquet of Guts and Gore“ ist jedoch „Flowers of Flesh and Blood“ am nächsten) wurde gekonnt eingefangen und noch ausgebaut. Ein besonderer Kunstgriff von „American Guinea Pig“ ist die Kameraarbeit. Der Film wurde nämlich auf VHS gedreht und enthält zudem noch Zwischenschnitte auf 8mm Material, dessen Grobkörnigkeit quasi wie die sprichwörtliche Faust auf's Auge zum Inhalt passt.



„American Guinea Pig – Bouquet of Gutes and Gore“ besteht ausschließlich aus Grausamkeiten und sadistischer Gewalt. Auschließlich. Die Frage, ob Biro den Vorbildern hier gerecht wird, muss ganz klar bejaht werden. Eine solch fokussierte und blanke Inszenierung von Folter ist für den westlichen Kulturkreis und die gegenwärtige „Szene“ fast schon einzigartig, denn selten hat ein derart veranlagter Film so wenig Wert darauf gelegt, seine Motive zu kaschieren. Es dauert keine zwanzig Minuten bis Hand an die Frauen gelegt wird und ab dann wird unaufhörlich und mit ultimativ roher Härte weitergemacht. Minutenlang werden genussvoll Extremitäten abgeschnitten und dabei Knochen durchtrennt, es wird gehäutet, in Gedärmen herumgewühlt und der Brustkorb eines Opfers wird mit einer Heckenschere aufgeschnitten. In einer besonders spektakulären Szene, bekommt eine der Frauen den Kiefer zur Hälfte abgetrennt, woraufhin der maskierte Mörder genüsslich in ihrem Rachen herum puhlt. Verschnaufpausen gibt es keine, durchgehend werden wackelige Nahaufnahmen der Taten gezeigt, während eine unterschwellige Mischung aus Noise und Drone im Hintergrund läuft. 



Selbstverständlich beruht der Erfolg eines solchen Konzeptes primär auf einer Sache: den Effekten. Doch auch hier gibt es keinen Grund zur Sorge, denn Special Effects Creator Marcus Koch hat wirklich ganze Arbeit geleistet und so wird der Zuschauer mit überaus plastischen und realistischen Goreeffekten verwöhnt, welche absolut keine Wünsche offen lassen. Insbesondere in den Szenen, in denen den Opfern die Gedärme entnommen und ihre von Extremitäten befreiten Torsi gezeigt werden, sind die Effekte extrem gelungen und eine Wohltat für jeden Enthusiasten. Ausfälle gibt es hier absolut keine – Handwerk und Grundidee sind jeweils perfekt ausgearbeitet und bilden eine ebenso perfekte Symbiose.



Fazit: „American Guinea Pig – Bouquet of Guts and Gore“ ist quasi ein perfekter Gorefilm und in allen Bereichen ein Volltreffer. Viele werden sich sicherlich angewidert abwenden (bei einer Vorführung, bei der der Verfasser zugegen war, verließen mehrere Leute den Kinosaal), wiederum andere werden einen polierten Mainstream-Abklatsch erwarten und sich eventuell sogar gelangweilt fühlen und wiederum andere werden sicherlich dem Hobby frönen, welches in letzter Zeit so beliebt geworden ist: virtuell herumzuheulen. Die „Guinea Pig“ Filme waren immer schon speziell und in ihrer Herangehensweise nur für Leute mit einem erleseneren Geschmack von Interesse. Dies ist auch bei Biros Remake der Fall. Jene Leute, welche den triebhaften und gewaltverherrlichenden Ton der Originale mögen. werden hier einen perfekten Film vorfinden, aber eben doch nur die. Doch ehrlich gesagt hätte eh niemand erwartet, dass eine Wiederbelebung der „Guinea Pig“ - Idee nicht polarisieren würde.

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