Obwohl die ägyptische Kultur
verhältnismäßig häufig in westlichen Kulturerzeugnissen
aufgegriffen wird (Iron Maidens Album „Powerslave“ und Filme wie
„Die Mumie“ fallen einem spontan ein) und viele der ikonischen
Symbole wie zum Beispiel die Pyramide hinlänglich bekannt sind,
erweckt es doch den Anschein, dass ernsthafte Auseinandersetzungen
mit der ägyptischen Mythologie etwas nicht so ganz alltägliches
sind. Im Gegensatz zur weitverbreiteten germanischen bzw. nordischen
Götterwelt, ist die der alten Ägypter in unseren Breitengraden um
einiges unbekannter, obwohl vereinzelte Götter (z.B. Osiris und
Horus) auch hier keine unbekannten Namen sind. Bei dem Gott Seth
(auch Sutekh genannt) ist dies jedoch nicht der Fall. Oft als
stupider Vorreiter des christlichen bzw. jüdischen Satans abgetan,
mag Seth für die meisten unvermarktbar, ja geradezu uninteressant
wirken. Dass dies jedoch nicht für okkulte und magische Zirkel gilt,
beweisen die Bücher „Io Erbeth – Mythos und Magie des
ägyptischen Gottes Seth“ von Frank Lerch und Frater Eremors „Im
Kraftstrom des Satan-Seth“, welche den Mythos von zwei sehr
unterschiedlichen, sich ergänzenden Seiten beleuchten und beweisen,
wie interessant er eigentlich ist.
Lerchs Beitrag deckt, im Grunde
genommen, die nüchterne und sachliche Seite ab und ist quasi eine
Art wissenschaftliche Analyse über die zugrundeliegenden Götter und
den kulturellen Hintergrund. „Io Erbeth“ erstreckt sich über
knapp 200 Seiten und lässt kaum Wünsche offen. Das Buch greift in
15 Kapiteln einzelne Facetten auf und beschreibt diese in aller
Gründlichkeit. Sehr interessant sind natürlich die grundlegenden
Kapitel über Seth selbst, welche sich sowohl seiner Gestalt als auch
seinem Wesen und seiner Wahrnehmung widmen. Gerade wenn es um
letzteres geht, ist „Io Erbeth“ vordergründig ein historisches
Schriftwerk, welches eindringlich auf die Weltanschauung, Mentalität
und Herrschaftsform der Ägypter eingeht und die politischen
Turbulenzen beschreibt, welche weite Abschnitte der ihrer Geschichte
geprägt haben. Faszinierend ist hierbei vor allem, dass sich Seths
Stand innerhalb der Gesellschaft oft um 180 Grad gedreht hat, je
nachdem, wer an der Macht war und welche Ereignisse das Land geprägt
hatten.
Seth selbst ist eine dynamische und
vereinnahmende Gestalt, deren Wesenszüge ausführlich dargestellt
werden, besonders in den Kapiteln, welche sich seinen Beziehungen zu
anderen Göttern widmen. Abgesehen von der Tatsache, dass diese die
chaotische, individualistische, triebfixierte und gewalttätige Seite
Seths wohl am direktesten und unverblümtesten zur Schau stellen,
erfährt der Leser hier wohl am meisten über die ägyptische
Mythologie, in welcher sich, wie so oft, menschliche Begierden und
Neigungen, sowie Naturphänomene widerspiegeln. Hierbei sind vor
allem die Kapitel über die Rolle des Osiris, der symbolträchtige,
sexuell aufgeladene Streit mit Horus und die Ansätze zur
Tiersymbolik (Seth als Eselsgott, Seth und die Kraft des Stieres)
positiv hervorzuheben, vor allem da Lerch die Symbole kritisch
entschlüsselt, statt sie bloß oberflächlich anzuschneiden. Als
besonders wertvoll entpuppt sich auch das letzte Kapitel, in dem „Io
Erbeth“ auf die Parallelen zu Jahwe und Satan eingeht, was – vor
allem nach den vorherigen Erläuterungen – mit eventuellen
Missverständnissen restlos aufzuräumen weiß.
Frater Eremor verfolgt mit seinem Buch
„Im Kraftstrom des Satan – Seth“ gänzlich andere Absichten,
als „Io Erbeth – Mythos und Magie des ägyptischen Gottes Seth“
es tut. Eremors Werk ist eine praktische Anleitung zur sethianischen
Magie und Ritualen, welche sich auf den genannten Mythos stützen.
Zwar geht Eremor auch auf die Hintergründe ein, allerdings sind
diese mehr als Einführung gedacht, denn das Hauptaugenmerk liegt auf
den vorgestellten Praktiken. Hierbei geht der Autor jedoch auch auf
philosophische Grundsätze und das Prinzip der Magie als solche ein.
Gekonnt knüpft er zu allen seinen Ansätzen Verbindungen mit dem
Gott Seth, sodass ein sehr stimmiger Austausch zwischen Mythos und
magischem Prinzip entsteht.
Eremors Anleitung beschreibt heiter,
verständlich und mit einem erfrischend unaufdringlichen Humor die
Praktiken des Autors (welcher übrigens Initiator des „Current of
Seth“ ist), bei denen oftmals Meditation, die Elemente und die
menschliche Sexualität eine entscheidende Rolle spielen. Ebenso
wiederkehrend sind die Charaktermerkmale und die Feind- und
Freundschaften des Seth, welche der Ausgangspunkt vieler Ansätze
sind. Gerade die Sexualmagie ist eines der Themengebiete, auf welche
„Im Kraftstrom des Satan – Seth“ am häufigsten zu sprechen
kommt. Wie bei allen anderen Praktiken auch, beschreibt Frater Ermor
die jeweiligen Rituale von Anfang bis Ende, geht auf jeweilige Ziele
oder Gefahren ein, gibt Tipps und erörtert weiterhin, in welchem
Kontext diese am besten angewandt werden.
Frank Lerchs „Io Erbeth – Mythos
und Magie des ägyptischen Gottes Seth“ und „Im Kraftstrom des
Satan-Seth“ von Frater Eremor sind quasi als zwei Seiten der selben
Medaille zu werten, wenn es um die okkulte Arbeit mit dem Mythos des
Seth geht. Lerch bietet die mythologische Grundlage, woraufhin Eremor
konkret auf die Magie eingeht. Beide Bücher sind lesenswert,
kompetent verfasst und erreichen ihr jeweiliges Ziel ohne Ausfälle.
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