Samstag, 1. November 2014

REVIEW: THÜRINGER MÖRDERINNEN - FRAUENSCHICKSALE ZWISCHEN LIEBE UND SCHAFOTT (Frank Esche und Wolfgang Krüger, Kirchschlager Verlag)



Beim Gedanken an Serienmorde und Gewaltverbrechen denkt die Mehrheit der Leute wohl automatisch das Bild eines männlichen Täters im Kopf. Zum einen ist die Gewalt als solche traditionell eher männlich konnotiert - das Triebverbrechen sowieso – und zum anderen weil die (oftmals medial ausgeschlachteten) Berichterstattungen um Jack the Ripper, Ted Bundy, Peter Sutcliffe und vergleichbare Täter offenbar die Rollen in den Köpfen der Öffentlichkeit klar aufgeteilt haben: der Mann ist der prototypische, triebgesteuerte Aggressor, die Frau das Opfer. Natürlich ist der (Serien-)mord eine Männderdomäne, gar keine Frage, doch dass dieses Schema gerade in unserer heutigen Zeit antiquiert, wenn nicht sogar grob falsch ist, erweist sich bei näherem Hinsehen als unumstößliche Tatsache. Die Blutgräfin Elizabeth Bathory ist hierfür ein gutes Beispiel, ebenso die Serienmörderin Aileen Wuornos, deren Geschichte in „Monster“ verfilmt wurde und die zahlreichen Fälle von Baby- und Kindsmord, welche in der jüngeren Vergangenheit durch ihre eigenen Mütter begangen wurden. Dass sich der weibliche Mord jedoch nicht auf bloß die Moderne (oder die Annalen der Vergangenheit) beschränkt, beweist Buch „Thüringer Mörderinnen – Frauenschicksale zwischen Liebe und Schafott“. Dieses wurde von Frank Esche und Wolfgang Krüger verfasst und stellt uns 21 verschiedene Fälle vor, welche sich zwischen dem 19. und dem frühen 20. Jahrhundert zugetragen haben.


Wie es die Thematik gebiert, spielen viele klassischen „weiblichen“ Themen in den dargestellten Taten eine sehr große Rolle. Viele der Mörderinnen ermorden ihre Ehemänner um mit ihren Geliebten zusammen sein zu können, manche handelten aus reiner Not heraus und wiederum andere aus Habgier oder anderen niederen Interessen. Doch nicht nur die Beweggründe, auch die Tathergänge unterscheiden sich teilweise drastisch von den männlichen „Kollegen“. Wie schon in den thüringischen und preußischen Kriminalchroniken des selben Verlages, spielt der Giftmord eine entscheidende Rolle, jedoch agieren nicht alle Mörderinnen aus dem Hinterhalt oder machen sich Intrigen zu nutze. Wie es bei solchen Kompendien die Regel ist (bzw. sein sollte), birgt jeder Abschnitt seine eigenen Vorgänge mit eigenen Individuen und eigenen Hintergrundgeschichten, auch wenn die Überschneidungen sicherlich einiges an Aussagekraft besitzen. Schließlich ist das gewählte Thema ein sehr spezifisches.



Wie man es von derartigen Werken aus dem Hause Kirchschlager gewohnt ist, ist der Erzählstil trotz aller Sachlichkeit sehr farbenfroh und vermag Spannung beim Leser zu erzeugen. Esche und Krüger ist es mit „Thüringer Mörderinnen – Frauenschicksale zwischen Liebe und Schafott“ definitiv gelungen, die jeweiligen Episoden gekonnt zum Leben zu erwecken, sodass der Lesegenuss durchgehend erhalten bleibt, vor allem da sich die Autoren sichtlich darum bemüht haben, die jeweiligen Ausgangssituationen und Umstände bildlich und nachvollziehbar zu schildern. Zwar ist dies, wie man auch den bisherigen Reviews auf THANATISCHE MANIFESTATIONEN entnehmen kann, beim Verlag eigentlich durchgehend der Fall, doch bei „Thüringer Mörderinnen“ ist dies besonders stark ausgeprägt - vielleicht auch, weil die Geschichten in diesem Band durchgehend interessant und oftmals vielschichtig sind.

In höchstem Maße erwähnenswert unter anderem Fälle wie „Melitta Möller – Die Schwiegermutter im Hofbrunnen“, „Mathilde Enders und Günther Kühnas – Strychnin für die Liebe“ und „Amandus Loth, Marie Peter, Henriette Zorn – Der Obersynderstedter Schwiegersohnmord“, welche sich allesamt in gewisser Weise um die zugrundeliegenden Familienstrukturen drehen. Gerade letztere liest sich wie eine geradezu filmreife Geschichte über ein von Intrigen durchzogenes Beziehungsdreieck und entwirft ein verachtenswertes und boshaftes Bild von den Mörderinnen, ebenso wie es das Kapitel über Mathilde Enders tut. Wie weiter oben beschrieben nimmt die Kindstötung in „Thüringer Mörderinnen“ einen relativ zentralen Platz ein und präsentiert die beschriebenen Damen oftmals gerade hier von einer etwas menschlicheren Seite (was bei dem Thema zunächst etwas widersprüchlich klingen dürfte). Interessant sind zum Beispiel die Geschichten von Karoline Möller und Pauline Richter, von denen letztere den Titel „Die Schreie aus der Hauswand“ trägt und zusammen mit „Alwine 'Lina' Lindig – Das Lebendig Begrabene Kind“ zu den derbsten des Buches gehört.

Fazit: Originelles und sehr gut geschriebenes Buch über ein verhältnismäßig ausgefallenes Thema. „Thüringer Mörderinnen – Frauenschicksale zwischen Liebe und Schafott“ ist ein voller Erfolg und jedem zu empfehlen, der sich für derartige Sachgebiete interessiert. Durchhänger gibt es keine zu verzeichnen und wegen den vielen makaberen, interessanten Fällen und dem kurzweiligen Schreibstil, ist das Buch ohne wenn und aber im oberen Drittel seiner Zunft anzusiedeln.

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