Friedrich „Fritz“ Haarmann ist wohl der bekannteste,
deutsche Triebtäter der jüngeren Vergangenheit. Seine „Karriere“ als
Menschenmetzger, Massenmörder und Deviant bescherte ihm sogar den hinlänglich
bekannten „Warte, warte noch ein Weilchen…“ Kehrreim und ließ ihn für viele
Menschen nicht nur zum Paradebeispiel für einen wahnhaften Mörder, sondern auch
zum fleischgewordenen Sinnbild für das deutsche Nachkriegstrauma in den 1920er
Jahren werden. Weiterhin konnte man Götz George im 1995 veröffentlichten Kammerspiel
„Der Totmacher“ in der Rolle des Fritz Haarmann bewundern. Haarmann ist – so
fragwürdig dies auch klingen mag – Kulturgut, wenn auch nicht eines, auf das
man unbedingt stolz sein muss.
Wie sehr man dazu neigt, solche auf wahren Begebenheiten beruhende
Schauermärchen auf einige Kernpunkte zu reduzieren und ein vorschnelles,
halbwahres Bild im eigenen Geiste zu konstruieren, macht einem das Buch
„Haarmann - Die Geschichte eines
Werwolfs“ des Schriftstellers und Philosophen Theodor Lessing (1872 – 1933)
gewiss. Lessing, zeitlebens ein „Querkopf“ und Dissident, der auch einem
politischen Mord zum Opfer fiel, liefert mit diesem 1925 erstveröffentlichten
Buch nicht nur eine tiefe und gründliche Charakterstudie Haarmanns, sondern
auch einen Augenzeugenbericht über die geführten Prozesse und eine herbe Kritik
über den Geist der Zeit ab. Umso erfreulicher ist es, dass dieses Werk vom
Kirchschlager Verlag neu aufgelegt und einem breiteren Publikum zugänglich
gemacht wurde.