Samstag, 6. September 2014

REVIEW: PUNCHDRUNK (SVEN HEUCHERT, HÖRBUCH)




Nach einigen Jahren, die er in Portugal verbracht hat, kehrt der namenlose Ich-Erzähler in seine rheinländische Heimatstadt zurück. Hier trifft er die Menschen, mit denen er seine durchzechte Jugend verbracht hat und findet heraus, dass sein Vater im Gefängnis sitzt. Während er sich wildesten Trinkorgien hingibt, sucht er nach und nach nach den Gründen, warum die Menschen um ihn herum so geworden sind, wie sie sind und denkt hierbei auch über seinen bisherigen Lebensweg nach.



Unter seinem bürgerlichen Namen hat Heuchert einige Kurzgeschichten vertont, so auch die 90 Minuten lange Hörnovelle (?) „Punchdrunk“, welche als professionell gepresste Doppel CD veröffentlicht wurde. Diese beweist, dass Heuchert die von ihm bekannten Leitmotive beibehalten, aber sich dennoch um einiges weiterentwickelt hat.




Trotz der überschaubaren Lauflänge ist „Punchdrunk“ keine gestreckte Kurzgeschichte, welche auf einen „großen Knall“ hinarbeitet, sondern ein ausgereiftes, eher statisch erzähltes Drama, in dem es primär um Reflexion und Stimmung geht. Die Charakterzeichnung erstrahlt hier so fein und subtil wie selten zuvor. In der Ich Perspektive führt uns der Protagonist durch seine zerfurchte, hasserfüllte und melancholische Gedankenwelt, die sich im Wechselspiel mit einer banalen, tristen Außenwelt entfaltet, in der die Handlung stattfindet. Auch diese ist bis auf wenige Ausnahmen nicht rasant und actionreich, sondern bewusst kühl und autistisch gehalten. In „Punchdrunk“ wird ein gnadenloser Realismus geboten, welcher kontinuierlich beibehalten wird. Dennoch versinkt Heuchert mit der Story nie in der Banalität, sondern inszeniert diese gekonnt, um die Selbstfindung und die Weiterentwicklung des Hauptcharakters zu beschreiben. 




Das Elend und die Trauer, die in „Punchdrunk“ allgegenwärtig sind, gehören mit zur faszinierendsten Eigenschaft des Werkes. Schon in früheren Tagen bewies der Autor seine starke Affinität zu trostlosem und menschenverachtendem Nihilismus, welcher in diesem rhetorischen Gewand gerade aufgrund seiner Bodenständigkeit so deprimierend wie selten zuvor ist. Alle Existenzen in diesem Werk sind gebrochen, verbittert, haben versagt und sind am absoluten Tiefpunkt ihres Lebens angekommen. Leitmotive wie Alkoholsucht, Isolation, Weltflucht oder der Drang nach Gewalt bilden einen Sog aus Negativität, der durch die vielschichtigen und vor allem glaubhaften Charaktere eine ungeheure Härte aufweist. Im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Autoren (bei denen sich die Bezeichnung „Hipster“ eher aufdrängt als letztere) beschreibt Heuchert Szenen, welche sich so in jeder x-beliebigen Stadt abspielen könnten und zwar so, als würde er sie wirklich kennen. In dieser Authentizität liegt der wohl mit Abstand größte Reiz des Werkes.





Doch nicht nur die Erzählweise, auch der Stil und die Sprache sind durch und durch erwachsen und souverän. Einige der Vergleiche und Beschreibungen sind wirklich so messerscharf und treffend, dass es absolut außer Frage steht, dass Heuchert ein ernstzunehmender und talentierter Autor ist. Vor allem die Gedanken, die sich der Protagonist über seinen Vater macht und die lebhafte Beschreibung der Rauschzustände und durchzechten Nächte finden allesamt auf dem höchstmöglichen Niveau statt, sodass „Punchdrunk“ nie langweilt, sondern durchgehend zu fesseln und zu interessieren vermag. Die rauchige Stimme des Sprechers Helmut Krauss verkörpert den Charakter perfekt und die von Heuchert selbst eingespielten Gitarrenmelodien, die als kleine Zwischenspiele fungieren, sind das letzte Tüpfelchen auf dem I.





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