Der Engländer Austin Osman Spare war zu Lebzeiten als Magier,
Okkultist und Maler bekannt, welcher – obwohl ihm der große Erfolg
verwehrt blieb – einen reichen Fundus an interessanten Werken
hinterlassen hat. Seine Ansätze sind einerseits sehr scharf und
anspruchsvoll, andererseits (für diesen Bereich) doch fast schon
ungewöhnlich realistisch und bodenständig und die Art, in der er
seine Gedankenwelt zeichnerisch festhielt, sucht seinesgleichen. In
dem Buch mit dem eponymen Titel „Austin Osman Spare – Kunst und
Magie“ von Gavin W. Semple werden sämtliche Werke Spares als auch
der Mensch hinter dem Schaffen genauestens vorgestellt und mit einer
Vielzahl seiner Bilder angereichert.
Es ist wohl so gut wie gar nicht möglich, Spare auf ein
Schaffensgebiet zu reduzieren, ohne dabei seine anderen Arbeiten
automatisch abzuwerten. Nicht nur sind seine verschiedenen
Aktivitäten jeweils einer eigenen Vorstellung wert, sie fließen
auch so frei ineinander über, dass man bei jeglicher
Berichterstattung nicht umhin kommt, sie als Gesamtkunstwerk zu
betrachten Bei der Vielseitigkeit von Austin Osman Spares Werk ist es
natürlich nur logisch, dass das gleichnamige Buch auf ebenso vielen
vielen Ebenen funktioniert, wie der Künstler es selbst tat.
Zunächst einmal verschafft Semples Veröffentlichung einen sehr
nützlichen und detaillierten Überblick über das Leben Spares. So
werden zum Beispiel die bescheidenen Verhältnisse, in denen er
aufwuchs, seine Karriere als Künstler und sein Kontakt mit Aleister
Crowley in Textform und in einer Chronologie, welche das Ende des
Buches einleitet, beschrieben. Diese Informationen stellen natürlich
nicht den Kern des Buches dar, sondern bieten die Grundlage für die
Vorstellung und Analyse seiner Lehren. Besonders interessant und
mitunter am relevantesten ist der „Zos – Kia“ Kult, dessen
Initiator Spare war. Der Autor zitiert aus den Originalwerken (unter
anderem dem „Book of Pleasure“) und erläutert von ihnen
ausgehend die Gedankengänge des britischen Künstlers. Das
Zusammenspiel zwischen dem Fleischlichen und dem Spirituellen bzw.
Werdendem wird in seinem Grundsatz und anhand mehrerer Beispiele
konkret erläutert. Diesem Aspekt widmet „Austin Osman Spare –
Magie und Kunst“ den gesamten ersten Abschnitt, in dem der Kult in
seiner gesamten Tiefgründigkeit vorgestellt und analysiert wird.
Abgesehen von der (im Grunde genommen transzendentalen) Interaktion
zwischen dem Manifestierten und dem Nicht-Manifestierten spielen
sowohl die von Spare entwickelte Todesmeditation, deren
Wirkungsmechanismen auch genau erörtert werden, und die
Sigillenmagie eine Rolle in diesem Konzept. Vor allem mit der Arbeit
mit Sigillen konnte Spare einiges an Anerkennung gewinnen und das
Kapitel „das heilige Alphabet“ widmet sich diesen Praktiken in
der selben einfachen, aber dennoch präzisen Manier, welche auch im
Rest des Buches vorzufinden ist.
Das nächste Kapitel widmet sich der Kartomantie, einem von Spare
entwickelten System, mit dem man seiner Ansicht nach die Zukunft
vorhersagen konnte und welches er sich vor allem auf der
Pferderennbahn zu Nutzen machte. Da Kunst bzw. Philosophie und
Charakter auch in diesem Fall schwer zu trennen sind, werden analog
zu der jeweiligen okkulten Theorie diverse Geschichten aus Spares
Leben erzählt, sodass „Austin Osman Spare – Kunst und Magie“
auch hier den Mittelweg zwischen Biographie und Beschreibung
magischer Praktiken beschreitet und konstant Interesse wecken kann.
Hierbei positioniert sich der Stil genau richtig zwischen Distanz und
Pathos, sodass es nie wirkt, als würde man eine reine
wissenschaftliche Abhandlung oder einen unreflektierten Fanbericht
lesen.
Auch wenn es sich vielleicht anbieten mag, die zahlreichen
Abbildungen als nette Beigabe abzustempeln, ist doch gerade dieser
Aspekt von „Austin Osman Spare“ so verblüffend, dass man ihn
durchaus auf eine Stufe mit dem Text setzen kann. Spares Zeichnungen
wirken träumerisch, stellenweise surreal, stellenweise nahezu
fotorealistisch, sind detailverliebt und unterscheiden sich allesamt
sehr stark voneinander, ohne jedoch einen roten Faden vermissen zu
lassen, der sie unmissverständlich ihrem Schöpfer zuordnet. Gerade
dieser Zusammenhang zeichnet Spares Schaffen aus und bestimmt es auch
zu einem großen Teil - insofern ist es erfreulich, dass „Austin
Osman Spare“ keinen Aspekt zu sehr in den Vordergrund rückt,
sondern jedem einzelnen den benötigten Platz einräumt. Enthalten
sind neben sehr vielen „normalen“ schwarz-weiß Abbildungen auch
sehr viele farbige Seiten, in denen vor allem die Aquarelle wirklich
wundervoll zur Geltung kommen!
Fazit: „Austin Osman Spare – Kunst und Magie“ ist ein nahezu
perfektes Werk über den gleichnamigen Künstler. Der Autor geht mit
der größten Bewunderung für Spares Thesen und Kunst vor, bleibt
aber dennoch analytisch und vermag den Leser vollends mit der Materie
vertraut zu machen. Weiterhin sind die Bilder wundervoll anzusehen
und würden alleine schon einen Kauf rechtfertigen. Ein rundum
gelungenes und in höchstem Maße empfehlenswertes Buch.
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