Der Cartoonist Chester Brown hat sich
über die Jahre hinweg einen Namen mit seinen oftmals sehr
persönlichen und etwas ausgefalleneren Comics und Graphic Novels
gemacht und wurde aufgrund seines Schaffens in die „Canadian Comic
Book Creater Hall of Fame“ aufgenommen. Zu seinen Werken zählt
neben seiner ersten graphischen Novelle „Ed the Happy Clown“ und
seinen Memoiren über sein Leben als Besucher von Prostituierten „I
Pay for It“ auch „I Never Liked You“. Letzteres wurde
ursprünglich als Cartoonserie in Browns eigenem Comicmagazin „Yummy
Fur“ veröffentlicht und trug dort den Namen „Fuck“, was auch
der Titel der deutschen Übersetzung ist. In „Fuck“ beschreibt
Brown eindringlich und aus seinen eigenen Augen einige Ereignisse
seiner späten Jugend und seine Beziehungen zu seinen
Klassenkameraden, seinen nächsten Verwandten und vor allem den
Mädchen, mit denen er zu tun hat.
Was die eigentliche Handlung angeht,
hält sich Brown bewusst zurück und gibt stattdessen relativ
symbolische und vermutlich realitätsnahe Ereignisse seiner Jugend
wieder. Diese bestehen so gut wie ausschließlich aus Interaktionen
mit den anderen Figuren, welche zwar sehr subtil und indirekt, dafür
aber sehr authentisch und tief charakterisiert werden. Chester selbst
ist ein ruhiger, künstlerischer und verträumt wirkender junger
Mann, der gerne zeichnet und Musik hört. Aufgrund seiner
Sensibilität, seiner fast schon autistisch anmutenden Abwesenheit
und der Tatsache, dass er nie flucht, wird er häufig von seinen
männlichen Schulkameraden schikaniert. Jedoch ziehen seine musischen
Talente und sein sanftes Wesen eine Vielzahl von Frauen an, welche
sich für Chester interessieren. Zuerst wäre da Carrie, ein Mädchen
aus der Nachbarschaft, welches sich unsterblich in Chester verliebt
hat, dann gibt es noch die stark untersetzte Sky und die dominante
Connie, Carries ältere Schwester. Chesters eigene Familie besteht
aus seiner offensichtlich neurotischen Mutter, welche der Autor in
seinem späteren Leben als schizophren betitelt hat und seinem
jüngeren Bruder Gordon.
Chesters Geschichte ist eine, welche er
selbst kaum bis gar nicht zu begreifen scheint bzw. möchte. Zwischen
Gleichgültigkeit, Selbstzweifeln, Trauer und Apathie hin- und
herschwankend, nimmt er die Annäherungsversuche Carries, die
Beleidigungen der anderen Jungs und die passiven Aggressionen seiner
Mutter wahr, ohne jedoch großartig selbst zu agieren. Er bleibt so
gut wie immer passiv und an manchen Stellen sogar erstaunlich
gefühlskalt, wobei sporadisch angedeutet wird, dass er viel Zorn und
Frust in sich trägt (zum Beispiel als er sich vorstellt, von einem
LKW überfahren zu werden). Verzwickt werden die Geschehnisse
spätestens, als er sich in Sky verliebt und Carrie ihn deswegen
erbost anfällt. Die Sexualität, welche in „Fuck“ eine enorme
Rolle spielt, tritt genauso versteckt auf, wie so ziemlich jede
andere Emotion auch. Chester ringt aus Spaß mit den Mädchen, wird
zum Abwaschen eingeladen und versteckt sich mit ihnen – alles wirkt
auf den ersten Blick „harmlos“, ist aber hochgradig sexuell.
Die Geschichte in „Fuck“ ist eine
traurige, verzweifelte. Vorort-Tristesse, ein subtiler, bedrückender
und allgegenwärtiger Nihilismus und unterdrückte Wut und
Niedergeschlagenheit sind die treibende Kraft hinter dem Graphic
Novel und diese hat Brown perfekt eingefangen. Es mutet an, als würde
alles auf einen Siedepunkt hinarbeiten, welcher jedoch nie erreicht
wird. Dennoch ist die Beklemmung und die Trauer in jeder Hinsicht
spürbar. Der Protagonist wirkt emotional verkrüppelt und unfähig,
mit den Menschen um ihn herum wirklich auf einer tieferen Ebene zu
kommunizieren. Gerade das macht „Fuck“ zu einem so glaubwürdigen
und mitreißend-deprimierendem Erlebnis. Unterstreicht wird dieser
Eindruck zusätzlich von dem simplistischen und pragmatischen
Zeichenstil, welcher sich sehr gut im Einklang mit den durchdachten
Nuancen der Handlung vermischt.
Fazit: Extrem intelligentes, trauriges
und ehrliches Comicbuch, welches eine sehr persönliche Geschichte
erzählt und zum Großteil zwischen den metaphorischen Zeilen
funktioniert. Chester Browns „Fuck“ ist charakterstark und in
höchstem Maße gelungen.
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