Das Herumstochern in vergangenen Genres
ist, wie jeder, der diesem Hobby frönt, weiß, eine etwas
zwiespältige Angelegenheit. Die Mischung aus semi-nekrophiler
Nostalgie und einer oftmals erdrückenden „solche Filme gibt es
heute nicht mehr“-Wehmut macht wohl den Großteil des Reizes aus,
wobei auch sicherlich ein gewisses historisches Interesse eine
(Neben-)Rolle spielt. Neben den Genres, welche eigentlich vollends
von der Bildfläche verschwunden sind, man denke hierbei an den
Giallo, den Spaghetti-Western und so ziemlich jede exotischere
Exploitation Kategorie, gibt es natürlich auch die, die sich über
die Jahre hinweg gehalten, aber mit der Zeit merklich verändert
haben – hier sind unter anderem der Actionfilm und der Slasherfilm
angebrachte Beispiele (man schaue sich nur mal „Phantom Kommando“
und „The Raid“, bzw. den ersten „Halloween“ und „Laid to
Rest“ hintereinander an).
In diesem Gros an vergangenen und
oftmals übergangenen Kunstformen erweist sich eine als besonders
lohnenswert: die Pornografie. Kaum eine andere Sparte ist so
wechselhaft, vielschichtig und hat sich über die Jahrzehnte so stark
verändert. Die quasi allgegenwärtige, plastische und auf das
Minimum reduzierte Hochglanz-Pornografie, wie man sie heute aus den
Sex-Shops und Onlineportalen kennt, ist hierbei als moderner Auswuchs
zu betrachten. Wagt man den Blick zurück in die 70er, ergibt sich
ein deutlich anderes Bild: in den verruchten Mitternachtskinos (aka.
Grindhouses) laufen neben sexuell aufgeladenen Exploitationfilmen
(man denke hierbei zum Beispiel an die Rape and Revenge Klassiker
„Last House on the Left“ und „Day of the Woman“ aka. „I
Spit on your Grave“) Hardcorefilme, welche neben den erotischen
Schauwerten auch zumindest einen groben Handlungsaufbau haben und
mitunter auch mit weiteren „Zutaten“ angereichert sind. So
enthalten einige dieser Filme überspitzt eingesetzte satanische
Symbolik (die „Satanic Sickies“ Box von Alpha Blue Archives
bietet hier eine sehr gute Übersicht), andere versuchen durch den
Gebrauch sozialer und politischer Themen, zum Beispiel den
Rassenunruhen und der Hippiebewegung, zu gefallen.
"The Taming of Rebecca" |
Zwischen den geradezu unzähligen
Unterarten gibt es eine Kombination, welche nicht nur Jahrhunderte
älter ist, als der Pornofilm selbst, sondern auch innerhalb dieses
Kontextes zum Tragen kam: die Mischung aus Sex und Gewalt. Diese
gebar eine der interessantesten Spielarten des klassischen Pornos,
den Roughie. Dieser vermählte die Herangehensweise des
Hardcore-Spielfilmes mit Szenen, welche eine Vielfalt von
Vergewaltigungen, Ermordungen, Erniedrigungen und sonstigen
Gewalttaten zeigten, was zu einer kruden und unverwechselbaren Mixtur
führte. Sicherlich ist die Idee keineswegs neu und heutzutage
vielleicht sogar noch alltäglicher als damals, doch der Geist, die
Optik, die Schamlosigkeit und die unzähligen Eigenheiten der
Roughies sind nie auch nur annähernd erreicht worden. Filme wie „The
Taming of Rebecca“ oder „Defiance of Good“ wirken wie endlose
Zelebrierungen sexueller Gewalt, bei denen sich der Terminus
„selbstgefällig“ ebenso aufdrängt, wie die Frage, ob solche
Filme in unserer heutigen Zeit überhaupt produzier- und vermarktbar
wären. Neben den genannten und einer Vielzahl anderer Beiträge gibt
es zwei Filme, welche als prototypische Roughies und Speerspitze der
Zunft zu sehen sind: „Forced Entry“ (1973) und „Water Power“
aka „Schpritz“ (1977), beide von Shaun Costello.
Der Tankwart in "Forced Entry". |
Beide Filme basieren auf einem
einfachen, aber wirksamen Prinzip. Ein psychisch in Mitleidenschaft
gezogener, männlicher Protagonist verschafft sich Zutritt zu den
Häusern mehrerer junger Frauen, um diese zu missbrauchen und
gegebenenfalls zu töten. In welch historischem Kontext diese auf den
ersten Blick oberflächlichen Charaktere verstanden werden können,
ist relativ offensichtlich. In „Forced Entry“ erleben wir das
Geschehen aus der Sicht eines traumatisierten Vietnam-Veterans,
welcher primär auf sozial höherstehende Frauen Jagd macht, welche
seine Tankstelle besuchen. Auch wenn hier keinesfalls der Versuch
gewagt werden sollte, diese beiden (oder irgendwelche anderen)
Roughies bzw. Pornofilme durch das Andichten soziokultureller
Ambitionen salonfähig zu machen, bewahrheitet sich doch hier die
These, dass diese Sparte Film ein wahres Kind seiner Zeit ist.
Kriegstraumata, die Verarmung und (seelische und körperliche)
Verkrüppelung der Veteranen und der oftmals damit verbundene
Sozialneid sind prägende Diskurse dieses Jahrzehnts. Selbiges gilt
für den Zusammenbruch der Werte, welche die vorhergehenden
Jahrzehnte ausmachten und die zunehmend einsetzende sexuelle
Freizügigkeit, welche aus konservativer Sicht oftmals als
„Werteverfall“ bezeichnet werden. Dies spielt nicht nur am Ende
von „Forced Entry“ eine Rolle, sondern ist auch das Motiv des
Täters in „Water Power“. Dieser wird übrigens grandios von
Gonzo-Erfinder und Porno-Legende Jamie Gillis (R.i.P.) verkörpert.
Gillis befindet sich in einer Art „Taxi Driver“-esquem
Rachefeldzug (sogar die Musik wurde aus Scorseses brilliantem
Klassiker entlehnt) gegen sexuell freizügige Frauen, welche er zu
reinigen versucht.
Porno-Ikone Jamie Gillis in "Rachel Humiliated". |
Gillis' Reinigung geschieht in Form
einer Darmspülung, welcher als Höhepunkt der sexuellen Akte
daherkommt, welche er an den Frauen vollzieht. Gerade diese zeigen
nicht nur die ausgedehnte und liebenswerte Schmutzigkeit des
Roughies, sondern auch Gillis' unangefochtene Qualitäten als
Hardcore-Darsteller. Mit vorgehaltener Waffe, zwingt er sie dazu, ihn
oral zu befriedigen, weiterhin hat er (in Nahaufnahme) Analverkehr
mit ihnen und ejakuliert auf sie, während sie sich vor ihm
entleeren. Obwohl es zum Ausgleich auch noch einige etwas normalere
Sexszenen gibt (unter anderem eine lesbische), ist der
fetischistische, koprophile Aspekt, welcher durch die Darmspülungen
hinzugewonnen wird, der mit Abstand interessanteste.
Die ungestellten
Szenen, in denen die Frauen ihre wässrige Notdurft verrichten,
stehen stark im Vordergrund und gehören zu den fetischistischsten,
welche es in einem Vintage Hardcore Film jemals zu bewundern gab
(weitere Pluspunkte gibt es natürlich für die zynischen Kommentare
des genialen Jamie Gillis!). Besonders beachtlich ist die Szene, in
der die beiden lesbischen Frauen gleichzeitig in der Badewanne einen
Einlauf verpasst bekommen und sich gegenseitig ankoten, weiterhin ist
auch die oben beschriebene Endszene, in der der Protagonist der
Exkrement abgebenden Polizistin auf das Rektum masturbiert ein
absoluter Höhepunkt.
Das Geschehen in „Forced Entry“
gestaltet sich etwas weniger exotisch, dafür aber um einiges roher
und auf traditionelle Art brutaler. Der Tankwart ist ein
hasserfüllter und offensichtlich zutiefst gestörter Charakter,
welcher in seinem gesamten Handeln krankhaft und bestialisch wirkt.
Der Geschlechtsverkehr wirkt hier erzwungener, missachtender und
alles in allem einfach grausamer. Auch hier gibt es Fellatio mit
gezogenem Revolver, welcher jedoch viel stärker in den Mittelpunkt
gerückt wurde. Die Kameraführung ist ein gutes Stück wilder und
stellenweise noch direkter als bei „Water Power“, der Fokus liegt
zusätzlich auf den gequälten Gesichtsausdrücken der Frauen, die
sich sichtlich davor ekeln, den Penis des Tankwartes im Mund zu
haben. Diese Szenen stellen den Großteil des pornografischen
Geschehens dar, auch wenn es hier ebenso Abwechselung gibt, zum
Beispiel eine anale Vergewaltigung, nach der sich der Täter über
den Kot beschwert, der an seinem Glied haften geblieben ist. Die
Opfer werden allesamt mit einem Messer umgebracht, hier gibt es unter
anderem ein sehr direkten Kehlenschnitt zu sehen. Das Treiben wird
von Zwischenschnitten auf echtes Material aus dem Vietnamkrieg
unterbrochen, was der grobkörnigen, zornigen Atmosphäre noch
zusätzlich an Aggression verleiht.
„Water Power“ und „Forced Entry“
stellen nicht ein nur ein Stück Pornografiegeschichte dar, sie
zeigen auch, wie viel Abwechselung und Ideenreichtum selbst in einem
solch eng gefassten Spielraum existieren können und mit welcher
Schlagkraft und Finesse ein pornografischer Spielfilm mit Gewalt
angereichert werden kann. Beide Filme sind für sich genommen
absolute Referenzwerke und repräsentieren perfekt ein Subgenre,
welches exzentrischer und unzeitgenössischer nicht sein könnte.
Nicht zu vergessen ist natürlich auch die Tatsache, dass „Water
Power“ und „Forced Entry“ zwei Beispiele für die am Anfang
beschriebenen Anfälle von Nostalgie und der daraus folgenden Wehmut
sind, denn solche Filme werden heutzutage wahrlich nicht mehr
gemacht.
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