Kaum ein Themengebiet wird
so häufig missverstanden, fehlinterpretiert, zu Unrecht verdammt
und/oder verherrlicht, inszeniert und in gewissem Maße propagiert
wie der linkshändige Pfad. Wer schon einmal versucht hat, sich auf
neutrale und objektive Art einen Überblick über diesen Bereich zu
verschaffen, wird sicherlich wissen, woher diese Missverständnisse
stammen. Der unbewanderte Leser wird zunächst auf eine Vielzahl von
tendenziösen, unsachlichen und gegebenenfalls schlichtweg falschen
Informationen stoßen, welche ein unvollkommenes Bild einer
vielfältigen ideologischen Strömung vermitteln. Gerade aufgrund des
Facettenreichtums und der verschiedenen Auslebungen des linkshändigen
Pfades, liegt es in der Natur der Sache, dass prominentere Namen wie
LaVey oder Crowley gerne als „alleinige Vorherrschaft“
wahrgenommen und andere, gleichwertige Interpretationen ignoriert
werden. Sicherlich ist es nicht schwer, sich selektiv über gewisse
Personen und Strömungen zu informieren, doch sachliche Übersichten
über das gesamte Spektrum sind um einiges rarer gesät.
Mit seinem Buch „Lords
of the Left-Hand Path“ schließt Stephen E. Flowers diese
Marktlücke, wenn man es denn so nennen möchte. Dieser hat nicht nur
einen Doktortitel in germanischer und keltischer Philologie, sondern
ist auch Leiter des „Temple of Set“, einer okkulten Vereinigung
in den USA. Laut Eigenaussage ist das Buch das Ergebnis einer
jahrelangen Studie und soll als neutrales und sachliches Kompendium
dienen.
Hierbei verfolgt Flowers
einen logischen und leicht nachzuvollziehenden Aufbau. Er erläutert
zunächst seine eigenen Motive, liefert dann grundlegende
Definitionen zum linkshändigen Pfad, bzw. erläutert den Unterschied
zwischen linkshändiger und rechtshändiger Philosophie, um dann mehr
oder weniger chronologisch vorzugehen. Hierbei erweist sich das
Kapitel über die östlichen Traditionen als eines der
interessantesten Abschnitte des Buches, da es nicht nur Bräuche,
Ansichten und religiöse Vorstellungen beschreibt, welche dem
(westlichen) Leser wohl um einiges unvertrauter sind, als zum
Beispiel die Lehren der weiter oben genannten Namen, sondern auch
direkt die Vielschichtigkeit der Thematik beweisen. Besonders die
Kapitel über Hinduismus, Buddhismus und Tantrismus sind sehr
gehaltvoll und interessant. „Lords of the Left-Hand Path“
beschreibt die mitunter komplexen Konzepte auf leicht verständliche
Weise und schafft hierbei den Spagat zwischen Verständlichkeit und
dem nötigen Anspruch, sodass keine Vorkenntnisse nötig sind, um den
Ausführungen folgen zu können, die Materie aber dennoch auf einem
angebrachten Niveau behandelt wird. Zusätzlich gibt es eine Vielzahl
von Abbildungen und Diagrammen, welche sich auch als ungemein
nützlich erweisen.
Im weiteren Verlauf nimmt
sich Flowers unter anderem der Gnosis, dem Seth Kult und der
jesidischen Teufelsanbetung an und stellt Bezug zu Religionen wie dem
Christentum oder dem Islam her. Besonders faszinierend sind die
Abhandlungen über verschiedene totalitäre Regime und die Art, in
der sich zuvor etablierte und definierte Konzepte wie Magie und
Rituale in ihnen (nicht) widerspiegeln. Im Vordergrund steht stets
das Streben nach Macht und Individualismus bzw. die
Selbstvergöttlichung, jedoch blendet „Lords of the Left-Hand Path“
auch spiritualistische oder okkulte Denkansätze keineswegs aus. Auch
beschreibt Flowers in dem Kapitel „Der entfesselte Luzifer“ auf
gekonnte Weise die Figur des Teufels, wie sie in der, z.B.
romantischen, Literatur Verwendung findet, wobei solche Namen wie
Goethe oder Marquis de Sade zur Sprache kommen.
Für viele dürfte
das letzte Drittel von „Lords of the Left-Hand Path“ das
interessanteste und ausschlaggebendste sein. In diesem geht Flowers
auf die moderneren (und beliebteren?) Vertreter der linkshändigen
Philosophie ein. Angefangen bei Blavatsky arbeitet er sich weiter zu
Crowley, dessen Denkweise in einem sehr ausführlichen Kapitel
erläutert wird, um dann das Buch mit einem Kapitel über LaVey und
die Church of Satan und einem über den Temple of Set abzuschließen.
Hier zeigt sich die neutrale und differenzierte Herangehensweise des
Autors besonders, denn gerade das Kapitel über den (zurecht)
umstrittenen Anton Szandor LaVey und seine Philosophie entpuppt sich
als eine der neutralsten Abhandlungen über ihn. Lobenswert ist vor
allem, dass der Plagiarismus, den LaVey betrieb, nicht unerwähnt
bleibt. Ebenso geht der Autor (vor allem im abschließenden Anhang)
durchgehend auf die falschen Anschuldigungen ein, welche den
linkshändigen Pfad betreffen und durchaus als erschreckendes
Beispiel für die Leichtgläubigkeit mancher Menschen verstanden
werden können.
Fazit: Es gibt niemanden,
dem man von der Lektüre von Stephen E. Flowers „Lords of the
Left-Hand Path“ abraten könnte. Der Autor geht sachlich und
wissenschaftlich vor, sämtliche Teilgebiete werden vorgestellt und
beleuchtet und das Buch liest sich zudem äußerst kurzweilig. Ein
wirklich gelungenes, rundes und vor allem wichtiges Werk!
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