Freitag, 22. August 2014

REVIEW: PARAPHILIA (Tom Heidenberg & El Gore, 2014)




Tom Heidenberg und El Gore haben in der Vergangenheit nicht nur durch ihr kontroverses Konsumverhalten auf Festivals und Conventions von sich reden gemacht, sondern auch durch ihre jüngsten Werke einiges an Aufsehen erregt. Heidenbergs „Necrophile Passion“ und El Gores „Ghoul's Night Out“ Trilogie haben der zeitweise eher öden deutschsprachigen Independent-Splatterlandschaft neues Leben einhauchen und die beiden Macher als vielversprechende neue Filmemacher etablieren können. Mit „Paraphilia“ präsentieren die beiden ihre erste Zusammenarbeit, welche sich einem altbekannten Thema annimmt: der Nekrophilie.

Die Geschichte ist – wie man es gewohnt ist – höchst minimalistisch. Ein namenloser Protagonist zerrt eine Leiche in den Wald, um dort mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben. Eine Vorgeschichte gibt es nicht, Dialoge und Erklärungen bietet „Paraphilia“ auch nicht. Die Regisseure beschränken sich auf den Akt selbst, sämtliche „Verzierung“ ist nebensächlich. 





Auf den ersten Blick trägt der Film ganz klar die Handschrift Heidenbergs: das anonyme Szenario, die Leichenschänder-Thematik und die glatte Präsentation sind typisch für ihn. Doch jeder, der die Werke der beiden kennt, weiß, dass der erste Schein sich hier als trügerisch erweist. Tatsächlich ist „Paraphilia“ eine sehr gelungene Symbiose, in der die beiden Regisseure ungemein voneinander profitieren. Heidenberg liefert die Schwere und die fast schon poetischen Bildkompositionen, welche schon sein letztes Werk einzigartig machen, wohingegen El Gore seinen typischen, kantigen, aggressiven Underground-Charme spielen lässt.



In vielerlei Hinsicht ist „Paraphilia“ das, was sich viele Leute unter „Necrophile Passion“ vorgestellt (oder erhofft?) haben. Der Kurzfilm bietet in seinen 14 Minuten Laufzeit an sich nichts weiter als eine extrem explizite Darstellungen von sexuellen Handlungen, welche an einer Leiche vollzogen werden. Die Bilder sprechen eine mehr als eindeutige Sprache: minutenlang stochert der Protagonist mit seinen Fingern in den Augen des Kadavers herum, er weidet sie aus, befriedigt sie oral (!), beschläft sie und onaniert ihr ins Gesicht. Gott sei Dank drängen die Macher dem Zuschauer keine halbgaren, aufgesetzten moralischen Botschaften auf, sondern bleiben bei einer direkten und intensiven Inszenierung. Gerade diese Bereitschaft zum Selbstzweck stellt einen wundervollen Kontrast zu den weinerlichen, pseudo-humanistischen „das-ist-jetzt-aber-zu-viel-des-Guten“ Monologen, welche mit gefährlichem Halbwissen ausgestattete, ungebildete, minderjährige Legastheniker in diversen sozialen Netzwerken veröffentlichen, dar. Die Bilder sind hochgradig ästhetisch und ansprechend, sodass man, wenn man denn gewillt ist, sich darauf einzulassen, keine stupide Ekelshow, sondern eine erwachsene und sinnliche Interpretation des Aktes zu sehen bekommt. Das Verständnis und die Faszination, welche hier durchschimmern, zeugen von einer Echtheit, welche gerade heutzutage sehr rar gesät ist.



Technisch gesehen ist wieder einmal alles perfekt. Neben der bereits erwähnten Kameraarbeit müssen der Score und vor allem die Leistung des Hauptdarstellers positiv erwähnt werden. Gerade letztere ist wirklich verblüffend und stellt eine enorme Bereicherung dar.

Fazit: „Paraphilia“ ist direkt, schonungslos, atmosphärisch und aufrichtig. In der kurzen Laufzeit zeigen Heidenberg und El Gore eine nahezu perfekte Ästhetisierung von Nekrophilie, ohne auch nur für eine Sekunde von seinem Vorhaben abzuweichen. Ein wirklich gelungenes und wegweisendes Werk!

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