Donnerstag, 8. Mai 2014

REVIEW: PROSOPOPUS (Nicolas de Crécy, Reprodukt)




Als ein Geschäftsmann in seine Limousine einsteigen möchte, wird sein Kopf von einer Kugel zerfetzt. Der namenlose Attentäter wird von den Bodyguards verfolgt, kann jedoch flüchten. Nachdem er entkommen ist, besucht er eine Frau, mit der er Geschlechtsverkehr hat. Aus dem Sperma, das an ihrem Oberschenkel klebt und dem Rauch einer Zigarette, die er auf die Straße wirft, entsteht eine mystische Räuchermischung, die ein großes, gelbes Monstrum kreiert. Dieses findet sich in der Wohnung des Attentäters ein und weicht ihm nicht von der Seite. Der Prosopopus ist jedoch weitaus mehr, als nur ein lästiger Mitbewohner, sondern konfrontiert den Namenlosen auch mit den Dämonen vergangener Tage.



„Prosopopus“ ist ein beklemmender und düsterer Trip in Comicbuchform, welcher vom französischen Zeichner Nicolas de Crécy ersonnen wurde. Dieser nennt unter anderem solche Künstler wie Otto Dix und David Lynch als starke Einflüsse und nach der Lektüre von „Prosopopus“ dürfte dies niemanden mehr verwundern. Das Buch ist exzentrisch, stilsicher, speziell und beschreitet Wege, welche seltenst oder nie beschritten werden, um seine Wirkung zu erzielen.





„Prosopopus“ ist auch viele Arten beachtlich. Zunächst einmal wird die Geschichte gänzlich ohne Dialoge erzählt. Im gesamten Comic wird nicht ein Wort gesprochen. Dennoch schafft de Crécy es, den roten Faden konsequent zu spinnen und wortlos Spannung zu erzeugen und die Akteure zu charakterisieren. Gerade der Protagonist ist – trotz der Wortlosigkeit – ein vielschichtiger Charakter, dessen Sehnsüchte und moralische Zwickmühlen auf intensive und persönliche Art zum Leben erweckt werden. Der Stil wird streng eingehalten, die Handlung entwickelt sich kontinuierlich weiter und viele Fragen werden nach und nach beantwortet. Hierbei ist die Tatsache, dass der Leser sich quasi selbst einiges erschließen muss, eine, die dem Leseerlebnis eine gewisse Würze verleiht und sehr gut funktioniert.



Eine düstere, beklemmende Stimmung ist in „Prosopopus“ allgegenwärtig. Die Verlassenheit und Gewissensbisse des Hauptcharakters liegen in einer erdrückenden Schwere über dem oftmals brutalen Geschehen. An sich hat de Crécy einen Film Noir gezeichnet, der mit allen Tugenden des Genres aufwartet. Die Figur des Prosopopus stellt jedoch das genaue ästhetische Gegenteil dieser Optik dar. Er ist groß, rund, gelb und wirkt wie eine leicht zurückgebliebene Figur aus einer Cartoonserie für Kinder. Diese Widersprüchlichkeit ist jedoch auf eine gewisse Art das Geheimrezept des Comics. Der Prosopopus ist die perfekte Metapher für das, an was er den Protagonisten erinnern soll und drängt sich offensiv ins Auge des Lesers.



Der Zeichenstil von de Crécy ist grandios. Stellenweise könnte man im Ansatz an einige der früheren Werke von Spawn-Erfinder Todd MacFarlane erinnert werden, jedoch sind de Crécys Zeichnungen ausdrucksstärker und verspielter. Die Linien sind weich und hart zugleich, was ein interessantes Wechselspiel zwischen bodenständiger Genauigkeit und fantastischer Verschwommenheit nach sich zieht, welches ideal für das Film Noir Flair ist. Besonders beeindruckend ist die Bildfolge, welche zwischen einer Sexszene und der Obduktion einer Leiche hin- und herwechselt. Auch in actionlastigen und emotionalen Momenten hat de Crécy genau den richtigen Riecher und erschafft Bilder voller Tiefe, die schön und abstoßend zugleich sind.


Fazit: „Prosepus“ ist ein packendes Comic, welches durch wundervolle Zeichnungen und neuartige Einfälle bestechen kann. Die Atmosphäre ist dicht und düster, die Charaktere werden gekonnt in Szene gesetzt und die Handlung ist tiefgründig und interessant. Nicolas de Crécy kann mit „Prosopopus“ auf sämtlichen Gebieten überzeugen und präsentiert ein Werk, welches Kunst-, Film Noir- und Comicfreunden nur wärmstens ans Herz gelegt werden kann!

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