Samstag, 3. Mai 2014

REVIEW: LEBEN UND TOD EINER PORNOBANDE (Mladen Djordevic, 2009)





Eine Gruppe von Randexistenzen zieht durch die Dörfer Serbiens, um dort transgressive Pornoshows aufzuführen. Neben diversen Problemen mit den jeweiligen Behörden und den Anwohnern, werden die Mitglieder der Gruppe zusätzlich noch von eigenen Dämonen und Geldsorgen geplagt. Als ihre Lage ausweglos erscheint, fangen sie an, für Geld Snuffvideos zu drehen. Doch nicht alle Darsteller halten dem immensen Druck stand.





Wenn man „verstörender Film aus Serbien“ hört, wird man wohl unweigerlich an den heftigst umstrittenen „A Serbian Film“ denken. Zu einer Zeit, als der besagte Film in Insider- und Mainstreamkreisen zugleich als das wohl größte filmische Verbrechen der Menschheitsgeschichte gehandelt und sowohl heftigst kritisiert als auch himmelschreiend gelobt wurde, kam auch “Zivot i Smrt Porno Bandeaka „Leben und Tod einer Pornobande“ von Mladen Djordevic auf den Markt. Auf den ersten Blick scheinen die beiden Beiträge relativ viel gemeinsam zu haben: das (für westliche Augen) eher ungewohnte Produktionsland, den starken Bezug zu Sex und Pornografie und eine sehr direkte und aggressive Herangehensweise. Insofern ist es leicht nachzuvollziehen, dass „Leben und Tod einer Pornobande“ zur Zeit des „A Serbian Film“-Hypes stellenweise als reiner Trittbrettfahrer angesehen und von vielen Leuten aufgrund der augenscheinlich besseren und „kontroverseren“ Alternative nicht beachtet wurde. Wer die Filme kennt, weiß jedoch, dass sie von Grund auf verschieden und an sich nur bedingt miteinander vergleichbar sind. „Leben und Tod einer Pornobande“ ist offensiv, teilweise geradezu pervers und an Negativität kaum zu überbieten, dennoch ist er sicherlich nicht eine bloße Aneinanderreihung von Schock- und Sexszenen, sondern ein durchdachter und beeindruckender Film.






Der Regisseur Marko findet sich nach dem Abschluss seines Filmstudiums in der Rolle des gescheiterten Künstlers wieder. Die Werbespots, die er für das Fernsehen dreht, bringen ihm weder Geld noch Befriedigung und für sein Filmprojekt lassen sich keine Geldgeber finden. Er lernt den zwielichtigen Pornoproduzenten Cane kennen, für den er einige Pornofilme dreht. Jedoch überwirft er sich mit ihm und benutzt das Geld, das Cane ihm zur Verfügung stellt, um ein eigenes Projekt zu realisieren. Er brennt Canes Studio nieder und versammelt eine Gruppe von (mehr oder weniger) Aussätzigen um sich herum, mit denen er in einem VW Bus durch Serbien fährt, um dort ein sehr gewagtes und explizites Pornotheater aufzuführen. Nach einer Show wird Marko von dem Deutschen Franz angesprochen, der sein Geld mit dem Verkauf von Snuffvideos verdient. Er bietet Marko an, Tötungen von Leuten zu filmen, die ohnehin sterben wollen. Dieser lehnt jedoch ab und zieht mit seiner Gruppe weiter. Nachdem sie von einer Gruppe von Bauern vergewaltigt und ausgeraubt werden, kommen sie jedoch auf Franz' Angebot zurück. Die Pornobande filmt Selbstmorde und legt auch aktiv Hand an. Doch nach und nach scheiden die Mitglieder einer nach dem anderen aus.





„Leben und Tod einer Pornobande“ präsentiert sich zunächst als kurzweiliges und schnell erzähltes Roadmovie, das von skurrilen Charakteren und Situationen bestimmt wird. Nachdem der Protagonist Marko quasi im Schnelldurchlauf seine Lebenssituation und seine Ambitionen vorgestellt hat, widmet sich der Film voll und ganz dem Treiben der Gruppe. Die Interaktionen zwischen den verschrobenen Charakteren erinnern etwas an Filme wie „Ex-Drummer“, „Trainspotting“ oder „Football Factory“, gestalten sich jedoch – natürlich – völlig anders. Interessant sind vor allem die beiden HIV-positiven Homosexuellen, der leicht zurückgebliebene Hauptdarsteller und das Junkie-Pärchen. Obwohl aus diesen Konstellationen mitunter sehr viel Unterhaltsamkeit entsteht, verkommt „Leben und Tod einer Pornobande“ nie zur Farce. Anfangs ist die Handlung noch etwas grotesk, wird dann aber durch das Drehen der Snufffilme sehr schnell viel dunkler und gewalttätiger. Dennoch ist Djordevics Film – zumindest für den Großteil der Zuschauer – von Anfang an „krank“.






Dies rührt vor allem daher, dass der Grad an sexuellen und gewalttätigen Darstellungen relativ hoch ist. Natürlich handelt es sich bei „Leben und Tod einer Pornobande“ weder um einen Porno, noch um einen Splatterfilm, doch sowohl Gewalt, als auch „Perversion“ sind Eckpfeiler des Werks (mehrere Filmfreunde brachten übrigens ihre Verwunderung darüber, dass der Film unzensiert mit FSK Freigabe erschienen ist, lautstark zum Ausdruck). Oftmals streifen die Darstellungen von sexuellen Akten durchaus das Gebiet der Pornografie. So wird zum Beispiel relativ explizit Fellatio mit einem Pferd gezeigt und hier und da sind bei den Sexszenen Hardcore-Einstellungen auszumachen. Dies entpuppt sich als weise Entscheidung des Regisseurs, da durch den direkten, unästhetisierten und -erotisierten Gebrauch solcher Szenen eine äußerst harte und brutale Wirklichkeitsnähe erschaffen wird, die dem Film außerordentlich gut zu Gesicht steht. Selbiges gilt für die Darstellungen von Gewalt. Die Hinrichtung mit der Kettensäge ist beispielsweise (obwohl allzu „splattrige“ Einstellungen fehlen) sehr kraftvoll, was aber bei den anderen Snufffilmen noch mehr der Fall ist. Die „Opfer“ (die allesamt freiwillig mitmachen) erzählen ihre Lebensgeschichte vor der Kamera und sterben danach durch Eigen- oder Fremdverschulden. Dies macht die Gewalt um einiges menschlicher und bodenständiger, als es in einem reinen „Gewaltfilm“ der Fall wäre. Auch hier entpuppt sich die Entscheidung als die einzig richtige.




Markos Pornoshow ist ein anarchischer Befreiungsschlag inmitten einer traurigen, kaputten Gesellschaft. Diese Aura, welche man wohl salopp mit der Worthülse „nihilistisch“ beschreiben könnte, ist allgegenwärtig und das geheime Erfolgsrezept des Films. Die Gesellschaft in „Leben und Tod einer Pornobande“ beruht auf Korruption und Geldgier und die Zustände sind nahezu menschenunwürdig. Der Krieg wird immer wieder thematisiert, die Polizei ist gewalttätig und die Bauern in den Vororten stellen sich als vergewaltigender Lynchmob heraus. Das Serbien, das Djordevic aufzeigt ist ein verseuchtes Land ohne Aufstiegsmöglichkeiten und Wärme, aus dem es kein Entrinnen gibt. So überrascht es auch nicht, dass keiner der Charaktere irgendwas aus dieser „Odyssee“ gewinnt. Der Film fängt im Sumpf an und endet am Anfangspunkt – alles dazwischen entpuppt sich als irrelevant. Diese Negativität ist wohl der beachtlichste Aspekt des Films.



Fazit: „Leben und Tod einer Pornobande“ ist einer der einfallsreichsten, kompromisslosesten und besten radikalen Nischenfilme der letzten Jahre. Die Handlung und die Charaktere sind vielschichtig, die Szenarien wirkungsstark und die Atmosphäre so existenziell und bedrückend, dass der Film niemanden unberührt lassen sollte. Eine starke Leistung von Regisseur Djordevic und ein wahrer Geheimtipp!



Zur DVD: BILDSTÖRUNG bietet den Film auf Blu-Ray und auf Doppel DVD in der Drop-Out Edition mit viel Bonusmaterial und Schuber an. Das Bild der Blu Ray ist hervorragend, selbiges gilt für das Bonusmaterial.

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