Dries ist ein
Schriftsteller, der eines Tages unverhofft Besuch von drei Männern
bekommt. Diese sind nicht nur allesamt behindert, sondern spielen
auch zusammen in einer Rockband. Für eben diese wollen sie den
Schriftsteller rekrutieren. Er lässt sich aus Neugierde und zwecks
Ergötzung an der Erbärmlichkeit seiner neuen Bandkollegen auf das
Angebot ein und fängt an, regelmäßig mit ihnen zu proben. Das Ziel
ist, bei einem bald anstehenden Bandwettbewerb zu gewinnen. Doch je
mehr Zeit er mit den drei Randexistenzen verbringt, umso mehr zeigt
sich das wahre Ausmaß des Elends.
Die Anzahl an
Werken, die als “Kultfilm” betitelt werden, ist sicherlich um ein
Vielfaches größer als die Anzahl an Filmen, die dieses Label
wirklich verdient haben. Anders verhält es sich jedoch bei Filmen,
bei denen es absolut nicht zur Debatte steht, ob sie das Zeug zum
Kultfilm haben, die aber dennoch nie den Sprung in die Öffentlichkeit
schaffen und Nischentipps bleiben. “Ex Drummer” von Koen Mortier
ist definitiv einer dieser Filme. Als das charaktergetragene,
nihilistische Drama anfing, große Erfolge zu feiern (man denke
hierbei an die Filme von Gaspar Noé), entstand auch dieser belgische
Beitrag. Keineswegs blieb “Ex Drummer” unbeachtet und man könnte
sogar von einem gewissen Kultfaktor im Underground- bzw.
“alternativen” Filmsektor sprechen, aber dennoch vermochte sich
das 2007 veröffentlichte Werk eben nicht zwischen “Football
Factory”, “Trainspotting”, “Irreversibel” oder “Ken Park”
einzureihen. Eine mehr als bedauerliche Tatsache.
Getragen wird “Ex
Drummer” ganz klar von seinen Charakteren. Diese sind ein
Sammelsorium an Verwerflichkeit und Entartung, wobei Mortier
allerdings so gut wie nie die groteske Überzeichnung sucht, sondern
die existenzielle Bodenständigkeit grundlegend beibehält. Insofern
bleibt das Personal extrem aber dennoch menschlich, was “Ex
Drummer” auch mehr zu einer Art Charakterdrama als einer Satire
oder dergleichen macht. Hierbei ist der Schriftsteller Dries
gewissermaßen auszuklammern, da er mehr als Erzähler und
Identifikationsfigur bei dieser Reise ins Abgründige fungiert. Einer
der erinnerungswürdigsten Charaktere ist sicherlich der
kahlgeschorene Sänger Koen, der ein bekennender Frauenhasser und
-schläger ist. Weiterhin ist Jan, dessen Arm steif geworden ist,
seit seine Mutter ihn bei Masturbieren erwischte und der vollkommen
abgewrackte, drogensüchtige Ivan Teil der Band.
Aus dieser Dynamik
ergeben sich absurde, derbe, tragische und komische Szenen. Der
Handlungsaufbau ist eigentlich nur ein sehr loser Platzhalter für
die besagten Geschehnisse. So präsentiert “Ex Drummer” neben dem
ganz normalen Wahnsinn im Proberaum auch das dysfunktionale
Elternhaus Jans (bestehend aus seiner haarlosen Mutter, die eine
Affäre mit Koen hat, und seinem geisteskrankem Vater, der Tag und
Nacht ans Bett gefesselt ist), Prügeleien, Streitereien, Gruppen-
und Schwulensex und eine eindrucksvolle Konzertszene am Ende.
Trotz des kranken
Witzes pulsiert viel Galle und Bosheit unter der metaphorischen
Oberfläche. Ein Baby, das stirbt, weil es den Drogenvorrat seiner
Eltern aufisst, der im Drogenrausch an der Decke herumlaufende Koen,
der haarklein auflistet, wie er willkürlich weibliche
Sexbekanntschaften misshandelt oder der Roadie, dessen After nach dem
Analverkehr mit dem Sänger einer rivalisierenden Band aufreißt,
sind allesamt definitiv nicht lustig im klassischen Sinne. Womöglich
ist gerade dies der ausschlaggebende Punkt für “Ex Drummer”s
überragende Qualität. Mortiers Film ist weder ein durchgehend
bedrückender “Lilja-4-ever” noch ein an sich heiterer “Football
Factory” - Verschnitt, sondern abwechslungsreicher und runder in
seiner Herangehensweise. Ebenso wie seine Charaktere ist auch das
Treiben im Kern menschlich und somit vielfältig. Wobei natürlich
das Finale sämtlichen Positivismus im Keim erstickt und ein
fulminantes Ende zu setzen vermag.
Nicht zuletzt ist
“Ex Drummer” auch ein Musikfilm, der in gewissem Maß zumindest
eine Interpretation des vielbesungenen “Rock and Roll Lifestyles”
bietet. Neben dem omnipräsenten “Mongoloid” von Devo – hier
natürlich als Punkrock-Cover – bringen vor allem am Ende einige
durchaus gelungene Tracks von Interpreten wie Mogwai, Millionaire und
Blutch akustisches Leben ins Geschehen.
Fazit: Koen Mortiers
“Ex Drummer” ist krank, kurzweilig, tiefgründig und schlichtweg
grandios. Das Drama funktioniert auf erstaunlich vielen Ebenen und
stellt einen dieser Filme dar, die man einfach immer und immer wieder
sehen und dabei Neues erkunden kann. Bitterster Zynismus, offene
Gewalt und Emotion begleiten die Charaktere durch eine unterhaltsame
Geschichte durch die Welt des Abschaums. Pflichtfilm!
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